Im Jahre 2011 hat die Europäische Kommission einen Vorschlag zur Reform der Fischereipolitik unterbreitet, da die Flotten mehr Fische fangen als natürlich nachwachsen (circa 75 Prozent der Fischbestände in der EU sollen laut EU-Kommission überfischt sein) und die Zukunft des Fangsektors unsicher erscheint. Demzufolge soll als Zielsetzung eine bessere Zukunft der Fischbestände und Fischereien ebenso wie der Meeresumwelt geschaffen werden. Die Vorschläge zu einer reformierten Gemeinsamen Fischereipolitik (GFP) zielen auf eine ökologisch, wirtschaftlich und sozial nachhaltige Fischerei ab. Auf diese Weise sollen die Fischbestände wieder auf ein nachhaltiges Niveau zurückgeführt und destruktive Fangpraktiken beendet werden. Langfristig soll die reformierte GFP für eine stabile Versorgung der EU-Bürger mit sicheren und gesunden Nahrungsmitteln sorgen sowie die Konjunktur im Fischereisektor stärken, die Abhängigkeit von Zuschüssen beenden und neue Beschäftigungs- und Wachstumsmöglichkeiten in Küstengebieten schaffen. Unterstützt werden diese Nachhaltigkeitsziele dieser neuen Politik im Rahmen des vorgeschlagenen Europäischen Meeres- und Fischereifonds (IP/11/1495) durch EU-Finanzhilfen. Mit dieser Reform leistet die Europäische Kommission einen Beitrag zur Strategie Europa 2020 und wirkt damit auf eine robuste wirtschaftliche Leistung der Industrie, integratives Wachstum und einen stärkeren Zusammenhalt zwischen den Küstengebieten hin.
Nachhaltige Fischerei bedeutet in dem Kontext, dass nur in einem Umfang gefischt wird, der das Nachwachsen der Bestände nicht gefährdet und langfristig hohe Erträge sichert. Um nachhaltiges Fischen gewährleisten zu können, muss eine Höchstmenge festgelegt werden, die den Beständen Jahr für Jahr entnommen werden kann und die Populationsgrößen auf dem Niveau maximaler Produktivität erhält. In der Fachsprache wird diese Menge als „höchstmöglicher Dauerertrag“ (MSY – maximum sustainable yield) bezeichnet. Diese Menge erscheint im Seerechtsübereinkommen der Vereinten Nationen und wurde ebenfalls 2002 auf dem Weltgipfel für nachhaltige Entwicklung als Zielvorgabe bestätigt, die weltweit bis 2015 erreicht werden sollte. Auch im Rahmen der neuen GFP sollen die Fangmengen bis 2015 und spätestens bis 2020 bei allen Fischbeständen auf MSY-Niveau liegen. Denn laut Schätzungen könnten die Bestandsgrößen bei einer entsprechenden Befischung der Bestände um rund 70 % anwachsen und somit zu größeren Fangmengen, höherem Einkommen und besseren Löhnen für Besatzungen führen. Ein weiterer Vorteil nachhaltiger Fischerei wäre, dass der Fangsektor nicht länger von öffentlichen Zuschüssen abhängig wäre und es leichter werden würde, stabile Preise unter transparenten Bedingungen mit klaren Vorteilen für die Verbraucher zu erzielen.
Mehrjähriges, auf dem Ökosystemansatz beruhendes Management
Zum Schutz der Meeresumwelt, sollen mehrjährige Pläne die Fischerei regeln, die auf dem Ökosystem- und Vorsorgeansatz beruhen. Somit soll sichergestellt werden, dass sich die Fischereitätigkeiten nur begrenzt auf das Meeresökosystem auswirken und dadurch die Ressourcen geschützt und langfristige Erträge maximiert werden. Diese mehrjährigen Bewirtschaftungspläne gelten nicht mehr wie bisher nur für einzelne Bestände, sondern für ganze Fischereien, sodass mithilfe weniger Pläne mehr Fischbestände abgedeckt werden können.
Verbot von Rückwürfen
Desweiteren werden Rückwürfe von Fischen verboten, da die Rückwürfe unerwünschter Fänge über Bord auf 23 % der Gesamtfangmenge geschätzt werden bzw. in einigen Fischereien soger deutlich mehr sind. Diese Praxis soll zwischen 2015 und 2019 mit einigen flankierenden Maßnahmen abgeschafft werden und Fischer dazu verpflichtet, alle kommerziell genutzten Arten, die sie fangen, auch anzulanden. Denn meist werden Fische, die nicht den gegebenen Maßen entsprechen nicht zum menschlichen Verzehr freigegeben. Zur Überwachung der Verpflichtung zur Anlandung aller Fänge, müssen die Mitgliedstaaten sicherstellen, ob ihre Fischereifahrzeuge eine vollständige Dokumentation aller Fang- und Verarbeitungstätigkeiten gewährleisten können.
Ziel des Verbots von Rückwürfen ist eine zuverlässigere Sammlung von Daten zu den Fischbeständen, ein besseres Management und eine höhere Ressourceneffizienz. Außerdem gibt es Fischern einen Anreiz, Beifänge durch technische Hilfsmittel wie etwa selektivere Fanggeräte zu vermeiden.
Steuerung der Fangkapazitäten
Als Erweiterung des Verbots von Rückwürfen muss von den Mitgliedstaaten sicher gestellt werden, dass die Flottenkapazität d.h. die Anzahl und Größe der Schiffe auf die Fangmöglichkeiten abgestimmt ist. Sollte ein Mitgliedstaat Überkapazitäten in einem Flottensegment feststellen, so erstellt er einen Aktionsplan zum Abbau dieser Überkapazitäten. Erreicht ein Mitgliedstaat nicht die erforderliche Reduzierung der Flottenkapazität, kann die Unterstützung aus dem Europäischen Finanzierungsinstrument ausgesetzt werden.
Unterstützung für handwerkliche Fischerei
Im Bezug auf die Anzahl der Schiffe hat die handwerkliche Fischereiflotte einen Anteil von 77 % an der Gesamtflotte der EU. Ihre Auswirkungen auf die Ressourcen sind jedoch geringer, da dieser Anteil bei der Tonnage (Schiffsgröße) nur bei 8 % und bei der Motorleistung nur bei 32 % liegt. Die handwerkliche Küstenfischerei spielt häufig eine wichtige Rolle für das soziale Gefüge und die kulturelle Identität in vielen Küstenregionen Europas, weshalb sie spezielle Unterstützung benötigt. Das Recht der Mitgliedstaaten, die Fischerei in einer Zone innerhalb von 12 Seemeilen von der Küste zu beschränken, bleibt durch die reformierte GFP bis 2022 erhalten. Das künftige Finanzierungsinstrument für die Fischerei umfasst Maßnahmen zugunsten der handwerklichen Fischerei und wird der lokalen Wirtschaft helfen, sich an die Veränderungen anzupassen.
Entwicklung einer nachhaltigen Aquakultur
Für die Entwicklung einer nachhaltigen Aquakultur wird die Erzeugung von und Versorgung mit Meeresfrüchten in der EU gestärkt. Denn damit wird die Abhängigkeit von importiertem Fisch verringert sowie das Wachstum in Küstengebieten und auf dem Land gefördert. In diesem Rahmen sollen bis 2014 die Mitgliedstaaten nationale Strategiepläne entwerfen, um Verwaltungshürden zu beseitigen und ökologische, soziale und wirtschaftliche Standards für die Fischzuchtindustrie zu wahren. Ein neuer Beirat für Aquakultur wird eingesetzt, um Empfehlungen abzugeben. Die Entwicklung der Aquakultur hat ganz eindeutig eine EU-Dimension, denn strategische Entscheidungen auf nationaler Ebene können einen Einfluss auf die Entwicklung in den benachbarten Mitgliedstaaten haben.
Ausbau der wissenschaftlichen Kenntnisse
Damit die Reform wirksam umgesetzt werden kann, sollen zuverlässige und aktuelle Informationen über den Zustand der Meeresressourcen gesammelt und ausgewertet werden. Dafür ist vor allem die GFP zuständig. Die Mitgliedstaaten werden mit der Sammlung, der Pflege und dem Austausch von Daten über Fischbestände, Flotten und die Auswirkungen der Fischerei auf Meeresbeckenebene betraut. Außerdem werden nationale Forschungsprogramme zur Koordinierung dieser Tätigkeiten eingerichtet.
Dezentralisierte politische Entscheidungsfindung
Die neue GFP hat ebenfalls zum Ziel das Management aus Brüssel zu dezentralisieren, um den EU-Gesetzgebern mehr Entscheidungsmacht zu verleihen. Somit können sie nun mehr den allgemeinen Rahmen, die grundlegenden Prinzipien und Standards, die Gesamtziele, die Leistungsindikatoren und den Zeitrahmen bestimmen. Die Aufgabe der Mitgliedstaaten besteht dann darin Empfehlungen zu den eigentlichen Umsetzungsmaßnahmen zu erarbeiten und ebenfalls auf regionaler Ebene zusammenarbeiten. Diese ausarbeiteten Empfehlungen werden zu Maßnahmen für alle Fischer herausgearbeitet, sobald sich alle Mitgliedstaaten einig sind.
Neue Marktpolitik – Stärkung der Branche und besser informierte Verbraucher
Die neue Marktpolitik zielt darauf ab, die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Industrie zu stärken, die Transparenz der Märkte zu verbessern und gleiche Wettbewerbsbedingungen für alle in der Europäischen Union vermarkteten Erzeugnisse zu gewährleisten. Im Gleichzug soll die bestehende Interventionsregelung modernisiert und vereinfacht werden: Erzeugerorganisationen erhalten die Erlaubnis, Fischereierzeugnisse zu kaufen, wenn die Preise unter ein bestimmtes Niveau fallen, und sie einzulagern, um sie zu einem späteren Zeitpunkt in Verkehr zu bringen. Durch dieses System wird die Stabilität des Marktes gefördert. Diese Erzeugerorganisationen werden auch eine größere Rolle bei der gemeinsamen Bewirtschaftung, Überwachung und Kontrolle spielen.
Die Verbraucher sollen durch neue Vermarktungsnormen für die Kennzeichnung, Qualität und Rückverfolgbarkeit besser informiert werden. Auf diese Weise soll ihnen die Unterstützung für nachhaltige Fischerei leichter gemacht werden. Zukünftig sollen bestimmte Angaben auf dem Etikett verpflichtend und andere Angaben freiwillig werden.
Internationale Verantwortung übernehmen
Des Weiteren gilt es ab sofort internationale Verantwortung für die Fischbestände zu übernehmen, da viele der weltweiten Fischbestände, nach Angaben der FAO entweder als vollständig ausgebeutet oder überfischt gelten. Deshalb muss die EU als weltweit nominal größter Importeur von Fischereierzeugnissen nach außen ebenso agieren wie im Inneren. Dies bedeutet, dass die externe Fischereipolitik fest in die GFP integriert sein muss. In internationalen und regionalen Organisationen wird die EU daher für die Grundsätze der Nachhaltigkeit sowie die Erhaltung der Fischbestände und der biologischen Vielfalt eintreten. Darüber hinaus wird sie Bündnisse schließen und gemeinsam mit wichtigen Partnern Maßnahmen ergreifen, um die illegale Fischerei zu bekämpfen und Überkapazitäten abzubauen. In bilateralen Fischereiabkommen mit Nicht-EU-Ländern wird die EU Nachhaltigkeit, gute politische Entscheidungsfindung und die Grundsätze der Demokratie, der Menschenrechte und der Rechtsstaatlichkeit fördern. In diesem Sinne werden nachhaltige partnerschaftliche Fischereiabkommen die bestehenden Abkommen ersetzen und gewährleisten, dass die Nutzung der Fischbestände auf der Grundlage solider wissenschaftlicher Gutachten stattfindet, so dass nur überschüssige Bestände befischt werden, die das Partnerland nicht selbst befischen kann oder will. Im Rahmen nachhaltiger partnerschaftlicher Fischereiabkommen werden die Partnerländer dafür entschädigt, dass sie Zugang zu ihren Fischbeständen gewähren, und erhalten finanzielle Unterstützung für die Umsetzung einer nachhaltigen Fischereipolitik.
Neue Überwachungs- und Kontrollvorschriften
Neben der Maßnahme der Übernahme der internationalen Verantwortung, steht der Vorschlag steht in Einklang mit der neuen Kontrollregelung der EU ab 20102 und integriert die grundlegenden Elemente der Kontroll- und Durchsetzungsbestimmungen für die Einhaltung der Vorschriften der GFP. Im Bezug auf die Einführung der Anlandeverpflichtung zur Vermeidung von Rückwürfen schlägt die Kommission Überwachungs- und Kontrollpflichten vor. Dies bezieht sich vor allem auf die vollständige dokumentierte Fischerei, sowie auf Pilotprojekte zu neuen Technologien für die Fischereiaufsicht, die zur nachhaltigen Fischerei beitragen.
Die neue Politik soll dann mit Wirkung vom 1. Januar 2014 in Kraft treten. Die Umsetzung der neuen Vorschriften, z. B. die Verpflichtung zur Anlandung aller Fänge, wird schrittweise erfolgen, weil sich der Sektor anpassen muss, um Ergebnisse liefern zu können. Dennoch werden in der Reform klare Fristen gesetzt.
Nachhaltige Fischerei lässt sich nur durch eine radikalere Form erreichen,so die Meinung des Meeresbiologen Boris Worm von der Dalhousie Universität in Halifax aus der Arte+7 Doku "Der letzte Fisch- Unsere Meere am Scheideweg". Er hat in Kanada aufgezeigt, dass dafür mehrere Maßnahmen nötig sind: Selektivere Fangmethoden, kleinere Fischereiflotten, Schonzeiten und Schutzgebiete: