Nachhaltigkeitsstandards in der Mode
Einleitung
Seit den letzten Medienereignissen wie z.B. der Fabrikbrand in Bangladesch, rückt das Thema der Nachhaltigkeit in der Mode für Verbraucher immer mehr in den Vordergrund. So werden nicht nur die Produktionsbedingungen kritisch hinterfragt, sondern auch die Mitarbeiterbehandlung im Textilhandel oder das Thema der Gift- und Schadstoffe bei der Verarbeitung. Unter Nachhaltigkeitsstandards versteht man demzufolge die Sozialstandards und Produktstandards in der Modebranche. Das Institut für Handelsforschung(IFH) in Köln hat mithilfe des Corporate Social Responsibility (CSR)-Trackers im November 2012 eine Studie zu den Nachhaltigkeitsstandards in der Textilbranche ausgeführt. Dabei haben sie herausgefunden, dass es in der Textilbranche noch einen hohen Nachholbedarf gibt, da die untersuchten Mode- und Schuhhändler mit durchschnittlich 49 Punkten im CSR-Index am schlechtesten abschneiden und damit deutlich hinter Händlern des Lebensmitteleinzelhandels (52 Punkte) oder des Spitzenreiters Drogerien (56 Punkte)landen. Bei dieser Studie wurde besonders schwach das Engagement für den Klimaschutz und den Erhalt Umwelt bewertet. Die Berücksichtigung sozialer und ökologischer Aspekte bei der Lieferantenwahl und den angebotenen Sortimenten wird von den deutschen Konsumenten ebenfalls kritisch gesehen.Bettina Seul, Bereichsleiterin Forschung & Konzepte am IFH Köln nimmt dazu Stellung: „Konsumenten setzen die Einhaltung bestimmter Sozialstandards – auch in Billiglohnländern – zwischenzeitlich voraus, sind aber gleichzeitig häufig nicht bereit, für nachhaltige Textilien auch höhere Preise zu zahlen. Der Textilhandel steht somit vor der schwierigen Herausforderung, die Anforderungen der Konsumenten an Fairness und Preis zu erfüllen“.Im Folgenden werden die bekanntesten Nachhaltigkeitsstandards aufgelistet:
DIE SOZIALSTANDARD-INITIATIVE ETHICAL TRADING INITIATIVE (ETI)
- Implementierung der definierten Sozialstandards in der eigenen Lieferkette
- Existenzsichernde Löhne werden verlangt;
- Teilnahme an Arbeitsgruppen;
- Jährliche Berichterstattung an die ETI;
- Aufbau von Systemen im Unternehmen, die langfristig hohe Arbeitsstandards in der Lieferkette garantieren
DIE SOZIALSTANDARD-INITIATIVE FAIR WEAR FOUNDATION (FWF)
- Implementierung der definierten Sozialstandards in der eigenen Lieferkette * Existenzsichernde Löhne werden verlangt;
- Eigene Audits & Kontrollaudits durch die FWF bei den Lieferanten;
- Jährliche Berichterstattung an die FWF sowie Veröffentlichung von Sozialberichten und Detailinformationen zu den Mitgliedern;
- Aufbau von Systemen im Unternehmen, die langfristig hohe Arbeitsstandards in der Lieferkette garantieren.
DAS FABRIKZERTIFIKAT SOCIAL ACCOUNTABILITY 8000 (SA 8000)
Das SA 8000 Zertifikat wird meist erst auf Anfrage einer Fabrik verliehen, wenn bestimmte Mindeststandards in der Fabrik erfüllt sind, und wenn bestimmte Systeme zum Management der Sozialstandards in der Fabrik implementiert sind. Die Fabrik erhält dann gegen Zahlung eines Beitrags das Zertifikat, das alle drei Jahre erneuert werden muss.
DAS ZERTIFIKAT DER WORLD FAIR TRADE ORGANIZATION (WFTO)
Die Grundlage des Standards bilden die Grundsätze der WFTO, die so genannten "10 Prinzipien":
- Möglichkeiten für ökonomisch benachteiligte Produzenten schaffen
- Transparenz und „Accountability"
- Faire Handels Prinzipien
- Bezahlung eines fairen Preises
- Sicherstellen, dass keine Kinder- und Zwangsarbeit eingesetzt wird
- Verpflichtung zur Nicht-Diskriminierung, Geschlechtergerechtigkeit und Versammlungsfreiheit
- Sicherstellen von Guten Arbeitsbedingungen
- Capacity-Building" bereitstellen
- Fairen Handel fördern
- Respekt für die Umwelt
FLO CERTIFIED COTTON
Nach FLO Certified Cotton Standard gelten zusammengefasst folgende Regeln:
- Die Baumwoll-Bauern bekommen den für eine Region definierten Fair Trade Mindestpreis bezahlt. Wenn der Weltmarktpreis höher als der definierte Minimumpreis ist, dann bekommen sie den Weltmarktpreis.
- FLO-zertifizierte Baumwollbauern organisieren sich in Kooperativen, die demokratisch organisiert sind.
- Die Kooperative bekommt für die FLO zertifizierte Baumwolle noch eine Prämie bezahlt. Die Kooperative (also alle Bauern) entscheiden gemeinsam, wie sie diese Prämie investieren wollen.
Control Union
IMO
DER GLOBAL ORGANIC TEXTILES STANDARD (GOTS)
Auf bedenkliche Chemikalien wird verzichtet. Es wurden solche Farbstoffe und Hilfsmittel gewählt, deren toxikologischen und ökologischen Wirkungen geprüft sind und die als unbedenklich eingeschätzt werden. Gebleicht wird nur in Ausnahmefällen, und wenn, dann nicht mit chlorhaltigen Chemikalien, sondern mit Sauerstoff. Ausrüstungen erfolgen in erster Linie auf mechanische, thermische und physikalische Weise und nicht auf chemischem Wege.
Es gibt zwei Varianten von GOTS:
Variante 1: „organisch" (bio) oder „organisch – in Umstellung". Das Textil muss mindestens oder zu mehr als 95 Prozent aus zertifizierten Fasern aus Bio-Anbau bzw. Anbau in Umstellung auf Bio-Anbau bestehen; es dürfen weniger als maximal 5 Prozent der Fasern aus konventionellem Anbau oder synthetischen Fasern stammen.
Variante 2: „aus X Prozent bio" oder „aus X Prozent in Umstellung auf bio": Hier müssen mindestens oder 70 bis 95 Prozent der Fasern aus zertifiziertem Bio-Anbau bzw. Anbau in Umstellung auf Bio-Anbau im Textil enthalten sein; maximal oder weniger als 30 Prozent der Fasern dürfen aus konventionellem Anbau oder synthetischen Fasern bestehen - mit Einschränkungen wie z.B. gentechnikfrei; der Anteil der synthetischen Fasern darf maximal zehn Prozent betragen (Ausnahmen: bei Socken, Leggings und „Sportswear" darf ein Anteil von bis zu 25 Prozent synthetischen Fasern erreicht werden).
In jedem Fall sind mindestens 70 Prozent der Fasern aus Bio-Anbau (bzw. in Umstellung auf Bio-Anbau). Vor allem ist genau geregelt, wie die Fasern weiterverarbeitet werden dürfen und welche Stoffe zum Einsatz kommen dürfen. Dadurch ist gewährleistet, dass eine mögliche Schadstoffbelastung im Endprodukt so gering wie möglich ist. Der Inspektions-Zyklus ist jährlich.
DAS PRODUKTZERTIFIKAT INV BEST
- Fasern aus zertifiziert ökologischer Landwirtschaft bzw. aus Umstellung,
- Verbot umweltschädlicher Verarbeitungs- und Ausrüstungsmethoden (z. B. Ammoniakbehandlung, Chlorierung von Wolle, optische Aufheller, Antistatika, Filzfrei),
- Accessoires (z. B. Nutzung naturbelassener, nachwachsender Rohstoffe, allerdings keine bedrohten Hölzer, Chrom- und Nickelfreiheit von Metallen für Schnallen etc., Lackierung auf Wasserbasis bzw. natürliche Lacke und Öle),
- Jegliche Accessoires wie Knöpfe, Reißverschlüsse, Schnallen, etc., müssen frei von Chrom, Nickel, Polyvinylchlorid (PVC) und bedrohten Hölzern sein. Erlaubt sind jegliche natürliche Materialien, Polyester und Elasthan
- Alle Betriebe müssen über eine Umwelt-Richtlinie verfügen, die Verfahrensbeschreibungen beinhalten über getrennte Lagerung zertifizierter und konventioneller Ware,
- Der Code of Conduct enthält grundlegende Sozialstandards (z. B. Verbot von Zwangsarbeit, Diskriminierung, Kinderarbeit, Einhaltung geregelter Arbeitszeiten)
DAS PRODUKTZERTIFIKAT INV NATURLEDER
- Tiere von denen die Rohhäute stammen, werden vorwiegend zur Fleischgewinnung gehalten; Tierhäute von wildlebenden oder vom Aussterben bedrohten Tierarten sind verboten;
- Die Konservierung und Reinigung von Häuten geschieht durch Kühlen und Salzen und nicht mithilfe von chemischen Konservierungsmitteln;
- Chromgerbung und Gerbverfahren, bei denen mineralische Gerbstoffe eingesetzt werden, sind nicht erlaubt
- Zur Anwendung kommen pflanzliche Gerbverfahren oder auch die so genannte «Sämischgerbung» (mittels Tran von Walen);
- Farbstoffe müssen frei von Schwermetallen oder von adsorbierbaren organischen Halogenverbindungen sein;
- Alle Betriebe müssen auf allen Verarbeitungsstufen über eine zweistufige Kläranlage verfügen, egal ob sie ihr Abwasser direkt oder indirekt über den Umweg einer Kläranlage in die Gewässer einleiten;
DAS PRODUKTZERTIFIKAT TEXTILE EXCHANGE 100 (TE 100)
- Textile Exchange 100 zertifizierte Produkte müssen mindestens 95% Bio-Baumwolle enthalten, es ist kein Mischen mit konventioneller Baumwolle erlaubt;
- Textile Exchange Blended zertifizierte Produkte müssen mindestens 5 % Bio-Baumwolle enthalten. Für die restlichen Fasern (max. 95 %) gibt es keine Auflagen, sie können auch aus konventioneller Baumwolle oder synthetischen Fasern bestehen;
- Die Verwendung von konventioneller Baumwolle ist nur in der Umstellungsphase zu Bio-Landbau erlaubt;
- Eine prozentuale Angabe des Anteils an Bio-Baumwolle ist im Endprodukt ausgewiesen;
- Genmanipuliertes Saatgut ist im Standard nicht explizit verboten, aber bei Bio-Anbau ist dies explizit ausgeschlossen;
- Der Standard schließt keine Chemikalien aus, aber bei Bio-Anbau sind diese ausgeschlossen;
- Zertifizierung der Bio-Baumwolle erfolgt durch externe, akkreditierte Organisation
DAS PRODUKTZERTIFIKAT CRADLE TO CRADLE
- Gold:
- Produkte können größtenteils wieder in den biologischen oder technischen Kreislauf zurückgeführt, d.h. wiederverwertet werden (Wiederverwertungsgrad > 65)
- Problematische Inhaltstoffe sind ersetzt
- Kein Einsatz von Holz aus gefährdeten Wäldern
- Einhaltung von Emissionsstandards
- Für die Endfertigung der Produkte wird mindestens 50% Solarenergie verwendet
- Charakterisierung der zur Produktion benötigten Wasserströme
- Die sozialen Bedingungen werden durch eine unabhängige Stelle geprüft
- Rohstoffe müssen nicht notwendigerweise umweltfreundlich hergestellt sein (konventionelle Baumwolle ist möglich)
- Platin:
- Produkte können fast komplett wieder in den biologischen oder technischen Kreislauf zurückgeführt, d.h. wiederverwertet werden (Wiederverwertungsgrad > 80)
- Holzprodukte stammen aus nachhaltigen Quellen (FSC-Label)
- Für den ganzen Produktionsweg wird mindestens 50% Solarenergie verwendet
- Der Wassermanagementplan wird umgesetzt
- Evaluation und Akkreditierung/Zertifizierung der sozialen Bedingungen durch eine unabhängige Stelle
Maximaler Wasserverbrauch per kg:
Baumwolle 10.000 – 17.000 L
Viskose 750 L
Acryl 350 L
Wolle 200 L
Polyester 0 L
Maximaler Energieverbrauch per kg:
Acrylic etwa 100 Megajoule
Polyester 100 Megajoule
Viskose 80 Megajoule
Baumwolle 70 Megajoule
Wolle 9 Megajoule
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Externe Links
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Armut, Mode, Nachhaltigkeit, Stakeholder, Standards, ZertifikatLetzte Aktualisierung
29.09.2015 10:02
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