Aachener Stiftung Kathy Beys

International Integrated Reporting Committee (IIRC)

Das 2009 gegründete „International Integrated Reporting Committee“ (IIRC) peilt eine Integrierte Berichterstattung („Integrated Reporting“) an. Das bedeutet, dass die Berichterstattung von Unternehmen zur Geschäftsentwicklung sowie Umwelt-, Sozial- und Governance-Leistungen in einem Bericht gebündelt werden soll. Das IIRC ist eine branchenübergreifende Initiative von Chefs oder Vorständen wichtiger globaler Verbände, Institutionen, Initiativen, Unternehmen, Finanzinstituten, Börsen, Regulatoren, Wirtschaftsprüfer, Standardisierungs- und zivilgesellschaftlicher Organisationen. Sie wird auch unterstützt von der Deutschen Vereinigung für Finanzanalyse und Asset Management (DVFA).

Nach intensiven Diskussionen und Pilotprojekten gibt es seit Dezember 2013 Handlungsanleitungen (Framework). Einige Unternehmen erstellen erste integrierte Berichte, auch aus dem deutschsprachigen Raum.

Den Initiatoren schwebt nichts Geringeres vor als eine Revolutionierung der Firmenberichterstattung und der Vorschriften dafür. Die Hürden, eine derartige integrierte Berichterstattung international durchzusetzen, sind zahlreich. Die Idee ist ein Bericht von lediglich 30 Seiten, der alle entscheidenden Informationen zu einem Unternehmen böte. Sowohl zu seiner Geschäftsentwicklung als auch zu Risiken, Chancen und Leistungen hinsichtlich Umwelt, Sozialem und Unternehmensführung (ESG). Kein Ballast mehr durch dicke Finanzberichte und derart detaillierten ESG-Informationen, dass Investoren und andere Anspruchgruppen den Wald vor lauter Bäumen nicht sehen. Qualität statt Quantität - das peilen die Verfechter einer integrierten Berichterstattung an. Geht es nach ihrem Wunsch, soll er schon ab 2015 existieren und weit mehr als eine summarische Kombination von Finanz- und Nachhaltigkeitsbericht sein.

Die Zusammenführung von Geschäfts- und Nachhaltigkeitsberichten soll den Leser befähigen, Wechselwirkungen zwischen finanziellen und nachhaltigen Leistungen zu verstehen, argumentiert Vordenker Michael P. Krzus, Autor des Buches „One Report“. Integrierte Berichterstattung könne dazu beitragen, den wahren Wert von Unternehmen zu erkennen. Zudem sei sie in der multidimensionalen Welt ein Managementwerkzeug, das bessere Entscheidungen bewirken könne. Erfolg hätten künftig die, denen gelänge, ein Gleichgewicht herzustellen zwischen langfristiger Zukunftsfähigkeit, bei der sie Werte für Aktionäre und Gesellschaft schaffen, sowie den Anforderungen an kurzfristige Wettbewerbsfähigkeit und Gewinnerwirtschaftung. Um das beurteilen zu können, reiche die aktuelle Geschäftsberichterstattung nicht, sagen Analysten. Finanzanalysten bräuchten bessere Information, bestätigen Großinvestoren, die das Projekt befürworten.

Ein Integrierter Bericht soll als Hauptbericht eines Unternehmens beschreiben, wie es Mehrwert für die Gesellschaft schafft und ob das für das eigene Geschäft materiell ist, also auch finanziell relevant. Ein integrierter Bericht soll Fragen beantworten wie: Wie schafft und erhält die Organisation auf kurze, mittlere und lange Sicht Werte? Wie groß ist der ökologische und soziale „Fußabdruck“ über die gesamte Wertschöpfungskette, also wie sind die nachteiligen Effekte auf Mensch und Umwelt? Was sind kurz-, mittel- und langfristigen Ziele und wie will die Organisation dorthin kommen? Wie sehen die Leistungen im Vergleich zu ihren strategischen Zielen aus? Welche Herausforderungen bestehen und was bedeuten sie für Strategien und Management?

Damit aus der Vision Praxis wird, stellt das „International Integrated Reporting Committee“ (IIRC) seine Vorstellungen auf Konferenzen in vielen Ländern mit Investoren, Unternehmen, Wirtschaftsprüfern und anderen Interessengruppen vor und diskutierte insbesondere das „Framework“ und die Ergebnisse der Pilotprojekt der letzten Jahreausgiebig. Wenn die wichtigsten Akteure aller gesellschaftlichen Gruppen an Bord seien und die Standardisierungsorganisationen der revolutionären Berichterstattungsart zustimmten, würden ihn viele Unternehmen akzeptieren, sagen Wissenschaftler. In dem Diskussionspapier sind Argumente, Ziele, Hürden, Risiken und Vorschläge zur möglichen Einbindung in den vorhandenen Rechtsrahmen und Standards gebündelt sowie ein erster Entwurf von Leitlinien und Inhalten integrierter Berichte. Ziel ist, ein Rahmenwerk mit Leitlinien zu entwickeln. Ein Entwurf soll 2012 entstehen. Parallel versucht das IIRC Unternehmen für eine Pilotphase zu gewinnen, um verschiedene Ansätze für integrierte Berichte zu testen. Zwischenergebnisse soll es im Oktober 2012 geben.

Ansätze der Integration existieren. So schreibt die Johannesburger Börse integrierte Berichte zusätzlich vor und einige Unternehmen anderer Staaten haben sich auf den Weg gemacht. Doch bisher sind deren Berichte eher eine viel zu umfangreiche Addition von Geschäfts-, Umwelt- und Sozialberichten. Zahlreiche Fragen, wie man zu einer neuen Art der Berichterstattung kommen kann, sind noch ungeklärt: Wie genau ist ein integrierter Bericht zu definieren? Was muss er unbedingt enthalten? Wie kommt man zu internationalen harmonisierten Standards, damit die Berichte vergleichbar sind? Wie ist bei einem resümierenden Bericht das rechtliche Probleme zu lösen, dass Berge von (Finanz-)Daten veröffentlicht werden müssen? Wie ist zu vermeiden, dass der integrierte Bericht kein zusätzlicher Bericht wird, den Unternehmen wegen des Mehraufwandes ablehnen würden? Sind die Standardisierungsorganisationen bereit, die internationalen Bilanzierungsstandards IFRS anzupassen? Müssten nicht gewisse Vorgaben für die Berichterstattung gemacht werden, um Vergleichbarkeit der Unternehmen herzustellen? Welche Leistungsindikatoren könnten das sein?

Über allem schwebt die Frage: Wie sind die in der Welt überaus unterschiedlichen rechtlichen Vorschriften zur Finanz- und Firmenberichterstattung zu harmonisieren? Gelingt es nicht, die Regulatoren von der Notwendigkeit „einfacher“ Berichte zu überzeugen, ist die Vision kaum zu realisieren. Es gehe nicht darum, mehr zu berichten, sondern den Geschäftsbericht wichtiger und informativer zu machen, erläutert Paul Druckman, Co-Vorsitzender der IIRC-Arbeitsgruppe. Man müsse zwischen Information und Datenlieferung unterscheiden. Im integrierten Bericht sollten nur die wesentlichen Zusammenhänge, Ziele und Leistungen stehen. Druckman geht gar so weit zu sagen: „Wenn für ein Unternehmen der Umsatz nicht relevant ist, sondern die Marge, gehört der Umsatz nicht in den integrierten Bericht.“

Doch wer entscheidet, was materiell wichtig ist? In vielen Geschäftsberichten fehlen etwa materiell wesentliche ESG-Informationen, weil Vorstände und Aufsichtsräte sie nicht als solche erkennen. Es muss einen Mechanismus geben, der sicher stellt, dass Unternehmen finanzielle und ESG-Aspekte miteinander verbinden. Sonst könnten einige Firmen einfach behaupten, ESG spiele keine Rolle, betonen Analysten, Wirtschaftsprüfer und Unternehmen unter Verweis auf die unzureichenden Informationen deutscher Lageberichte. Es müsse gewährleistet sein, dass nichts materiell Wichtiges fehle, die Daten verlässlich seien und die Unternehmen ESG-Daten nicht vornehmlich dafür einsetzten, eigene Leistungen zu verkaufen und damit die Aktienkurse zu steigern. „Es ist eine echte Herausforderung, zuverlässige Berichte zu erhalten. Wenn sie nur Propaganda werden, scheitern wir“, räumt Druckman ein. Das Pilotprojekt solle zeigen, ob es Mindestanforderungen geben und wie lang ein integrierter Bericht sein müsse.

Alle Anspruchsgruppen sollen relevante Informationen finden können. Doch laut IIRC sind anfangs Investoren die Hauptzielgruppe. Das ruft Protest einiger Akteure hervor: Dann blieben – wie bei heutigen Geschäfts- und Finanzberichten – die berechtigten Interessen gesellschaftlicher Anspruchgruppen außen vor. Die selbst so unterschiedlichen Initiatoren hingegen sagen: Man müsse irgendwo beginnen und danach die anderen Interessengruppen einbinden. Zunächst gehe es darum, Investoren besser zu informieren, als ein Versuch, ihr Verhalten zu ändern. Trotz aller Hindernisse geben sich die Initiatoren unbeirrt. Vielleicht erreiche man das Ziel nicht 2015, sondern erst 2020. „Doch wenn wir nicht anfangen, kommen wir nie dorthin.“ Jetzt müssten alle Aspekte sondiert, Hürden identifiziert und eine nach der anderen angegangen werden. „Wenn wir es nicht ausprobieren, werden wir nicht wissen, ob und wie es funktioniert.“

Interne Links
Externe Links
„International Integrated Reporting Committee“ (IIRC)
Diskussionspapier 2011
Diskussionspapier 2012

Schlagworte

Initiative

Letzte Aktualisierung

03.11.2015 10:50

Diesen Artikel: