Aachener Stiftung Kathy Beys

Koalitionsvertrag, 1998-2002

Nach der Bundestagswahl 1998 wurde die seit 1984 regierende christlich-liberale Regierung von CDU und FDP unter Bundeskanzler Helmut Kohl abgewählt. An deren Stelle rückte eine "rot-grüne" Koalition aus SPD und Bündnis90/Die Grünen unter Bundeskanzler Gerhard Schröder.

Der Koalitionsvertrag der Jahre 1998-2002 beinhaltet zum Thema Nachhaltigkeit folgende Inhalte:
„Eine Politik zu Beginn des 21. Jahrhunderts muss neu gedacht und formuliert werden. Die neue Politik verlangt neue Zieldefinitionen, die globale und langfristige Problemstellungen berücksichtigen, die Ökonomie, Ökologie und soziale Gerechtigkeit zu einer nachhaltigen Entwicklung verbinden. Diese Erkenntnis hat sich seit dem Erdgipfel in Rio durchgesetzt. Die Agenda 21 ist Hoffnung und Verpflichtung zugleich für eine zukunftsweisende Politik. Die Bundesrepublik und die Europäische Union müssen im Sinne einer friedlichen und sozialen Entwicklung der Welt Vorreiter einer nachhaltigen Entwicklung werden.“

Weiter heißt es dort:
„Wir orientieren uns am Leitbild der Nachhaltigkeit. Die Agenda 21 ist dafür unsere wichtigste Grundlage. Unser Ziel ist eine nachhaltige, das heißt wirtschaftlich leistungsfähige, sozial gerechte und ökologisch verträgliche Entwicklung. Die Entwicklung und Einführung neuer produktionsintegrierter und damit an den Ursachen der Umweltzerstörung ansetzender Technologien und Verfahren sowie innovativer Produkte und Dienstleistungen wird zur Schaffung von zukunftsfähigen Arbeitsplätzen beitragen.“

"Kapitel IV. Ökologische Modernisierung"
1. Die ökologische Modernisierung für Arbeit und Umwelt

Die ökologische Modernisierung ist die große Chance, um die natürlichen Lebensgrundlagen zu schützen und mehr Arbeit zu schaffen. Die neue Bundesregierung wird dafür sorgen, dass unser Land hierbei eine Vorreiterrolle einnimmt. Wir orientieren uns am Leitbild der Nachhaltigkeit. Die Agenda 21 ist dafür unsere wichtigste Grundlage. Unser Ziel ist eine nachhaltige, das heißt wirtschaftlich leistungsfähige, sozial gerechte und ökologisch verträgliche Entwicklung. Die Entwicklung und Einführung neuer produktionsintegrierter und damit an den Ursachen der Umweltzerstörung ansetzender Technologien und Verfahren sowie innovativer Produkte und Dienstleistungen wird zur Schaffung von zukunftsfähigen Arbeitsplätzen beitragen.

Für den Schutz des Klimas wird die neue Bundesregierung in allen Bereichen die Anstrengungen verstärken. Sie bekräftigt das Ziel, insbesondere die CO2-Emissionen bis zum Jahr 2005 gegenüber 1990 um 25 % zu reduzieren. Unser Ziel ist eine effiziente und umweltverträgliche Energieversorgung. Wir werden die erneuerbaren Energien verstärkt fördern, die Rahmenbedingungen schaffen, um den Energieverbrauch deutlich zu senken und so schnell wie möglich aus der Atomenergie aussteigen. Die Steigerung der Energie- und Ressourcenproduktivität erbringt neue wirtschaftliche Vorteile und erschließt wichtige Zukunftsmärkte. Sie führt zu Kostenentlastungen bei den privaten und öffentlichen Haushalten."

"2. Umweltschutz: wirksam, effizient und demokratisch"

Die neue Bundesregierung wird eine nationale Nachhaltigkeitsstrategie mit konkreten Zielen erarbeiten. Dies geschieht im Dialog mit den wichtigen gesellschaftlichen Gruppen. Die nationale Nachhaltigkeitsstrategie ist ein wichtiges Instrument zur Förderung ökologischer Innovationen wie auch zur Umsetzung der Agenda 21. Das Beratungswesen wird neu geordnet und gestrafft. Das zersplitterte Umweltrecht wird in einem Umweltgesetzbuch zusammengeführt, um es effizienter und bürgernäher zu gestalten. Neben einer Reform des Ordnungsrechts werden dabei auch neue Instrumente der Umweltpolitik, wie wirtschaftliche Anreize und eine verstärkte Bürgerbeteiligung, einbezogen. Die Umweltverbände erhalten ein Verbandsklagerecht. Das Instrument der freiwilligen Selbstverpflichtung stärkt das Umweltbewusstsein der Akteure. Sie können insbesondere in klar abgegrenzten Bereichen sinnvoll sein und zu effektivem Umwelthandeln beitragen, wenn die zu erreichenden Ziele und Zwischenziele eindeutig festgelegt und überprüfbar (Monitoring) sind und sie im Falle der Nichteinhaltung mit Sanktionen verbunden werden. Selbstverpflichtungen in dieser Form können auf geeignetem Gebiet Ordnungsrecht entbehrlich machen, z.B. als Vereinbarungen mit Unternehmen. Die Umwelthaftungspflicht wird entsprechend ausgebaut. Die neue Bundesregierung wird das Bundesnaturschutzgesetz mit dem Ziel überarbeiten, die Flächennutzung künftig natur-, umwelt- und landschaftsverträglich zu gestalten, ein großflächiges Biotopverbundsystem mit ca. 10 % der Landesfläche zu schaffen, die Artenvielfalt zu schützen und die Verpflichtung zu einer flächendeckenden Landschaftsplanung aufzunehmen.

Der Ausverkauf von Schutzgebieten in den neuen Bundesländern wird unverzüglich gestoppt und ein Konzept zur Sicherung des nationalen Naturerbes erarbeitet. Wir werden die ökologische Modernisierung zu einem Schwerpunkt einer neuen Technologie- und Industriepolitik machen. Die Anforderungen für die Einleitung von Abwasser in Gewässer müssen dem Stand der Technik entsprechen. Im Bodenschutz muss der Vorsorgegedanke ein stärkeres Gewicht erhalten. Dafür wird u.a. der Entwurf der Bodenschutz- und Altlastenverordnung überarbeitet und ein Konzept zur Entsiegelung und Renaturierung von Flächen einbezogen.

Zur Verbesserung der Luftqualität werden wir dafür sorgen, dass der Stand der Technik umgesetzt wird. Die Sommersmogverordnung wird novelliert. Die neue Bundesregierung wird die chemiepolitischen Empfehlungen der Enquete-Kommission "Schutz des Menschen und der Umwelt" so weit wie möglich umsetzen. Die neue Bundesregierung wird mit der Kreislaufwirtschaft Ernst machen. Wir werden den Aufbau von Stoffkreisläufen in der industriellen Produktion und eine ökologische Gestaltung von Produkten fördern. Dies umfasst eine sinnvolle Regelung für die Verwertung von Altautos und den gesamten Bereich des Elektronikschrotts. Die Verpackungsverordnung mit dem System des Grünen Punktes wird ökologisch und ökonomisch sinnvoll umgestaltet.

Zur Abfallvermeidung und Stärkung der Produktverantwortung sind vor allem ökonomische Anreize notwendig. Wo diese versagen, werden in Zusammenarbeit mit den Ländern entsprechende Instrumente entwickelt. Durch eine eindeutige Abgrenzung von Verwertung und Beseitigung wird sichergestellt, dass umweltschädliche Billigentsorgung unterbleibt (u.a. unter Tage). Die neue Bundesregierung wird Wettbewerb, Vielfalt und Innovation stärken, um ökologische Ziele in der Abfallwirtschaft durchzusetzen, die mechanisch-biologische Verfahren einschließen. Um Kostensteigerungen bei der Abfallentsorgung für die Bürgerinnen und Bürger zu vermeiden, werden wir an der Steuerbefreiung kommunaler Entsorgungsunternehmen unter Beachtung der rechtlichen Vorgaben festhalten. Die Altlastensanierung in den neuen Bundesländern wird in vollem Umfang gesichert und neu strukturiert. Die modernen Methoden der Bio- und Gentechnologie sind in der Grundlagenforschung und angewandten Forschung weltweit etabliert, ihr Einsatz in der Medizin, wo sie die Entwicklung und Produktion neuer Impfstoffe und Medikamente ermöglichen, findet wachsende Akzeptanz. Biotechnologische Verfahren eröffnen auch neue Möglichkeiten und Chancen bei der umweltfreundlichen Umweltsanierung und können dazu beitragen, Schadstoffe in unbedenkliche Stoffe umzuwandeln oder durch unbedenkliche Produkte zu ersetzen. Nach wie vor ist das Ausmaß notwendiger Gefahrenabwehr und Risikovorsorge umstritten, insbesondere in der Landwirtschaft und im Lebensmittelbereich wird auch der gesellschaftliche Nutzen kritisch hinterfragt. Die neue Bundesregierung wird die verantwortbaren Innovationspotentiale der Bio- und Gentechnologie systematisch weiterentwickeln. Alternative Verfahren und Strategien müssen dabei einen angemessenen Raum erhalten. (...) Deutschland wird sich bei internationalen Umweltschutzvereinbarungen für anspruchsvolle Umweltqualitätsziele einsetzen und Umwelthandlungsziele einbringen, die international abgestimmte Schritte auch auf einem längerfristigen Pfad mit geeigneten Instrumenten ermöglichen und damit positive Auswirkungen auf den internationalen Wettbewerb haben. Wir streben eine größere Harmonisierung der Umweltvorschriften in der Europäischen Union auf hohem Niveau an. Wir wollen internationale Vereinbarungen gegen Umweltdumping."


Weitere Inhalte des Koalitionsvertrages:
3. Moderne Energiepolitik
3.1. Zukunftsfähige Energieversorgung sicherstellen
3.2. Ausstieg aus der Atomenergie
4. Effiziente und umweltgerechte Verkehrspolitik
5. Ländliche Räume stärken - Landwirtschaft sichern"

Zum Thema Gentechnik:
Der rot-grüne Koalitionsvertrag von 1998 sah vor: "Die neue Bundesregierung wird die verantwortbaren Innovationspotentiale der Bio- und Gentechnologie systematisch weiterentwickeln. Alternative Verfahren und Strategien müssen dabei einen angemessenen Raum erhalten".

Weiter hat die rot-grüne Koalitionsvereinbarung vom 2. Oktober 1998 in der Gen- und Biotechnologiepolitik acht Schwerpunkte und Einzelvorhaben für diese Legislaturperiode vorgesehen:

"1.Der Vorrang des Schutzes von Mensch und Umwelt muss im deutschen und europäischen Gentechnikrecht gewährleistet werden.
2. Wir werden uns für den Erhalt der biologischen Vielfalt und für angemessene Sicherheitsvorschriften in den weltweiten Verhandlungen zum Biosafety-Protokoll einsetzen.
3. Freilandversuche_1508 und das Inverkehrbringen müssen wegen der langfristigen Auswirkungen des Anbaus transgener Pflanzen in einem Langzeit-Monitoring wissenschaftlich begleitet werden.
4. Die Risiko- und Sicherheitsforschung werden wir verstärken; negative Auswirkungen beim Einsatz von Antibiotika-Resistenz-Genen müssen verhindert werden.
5. Die Zuständigkeit für Genehmigungen bei der Freisetzung und beim Inverkehrbringen von gentechnisch veränderten Organismen wird überprüft.
6. Wir werden die Erforschung der sozialen, ethischen und rechtlichen Folgen der Anwendung moderner biologischer und gentechnischer Verfahren am Menschen, insbesondere bei der Erforschung des menschlichen Genoms, zu einem Schwerpunkt machen.
7. Wir werden den Schutz der Bürgerinnen und Bürger vor genetischer Diskriminierung insbesondere im Bereich der Kranken- und Lebensversicherung gewährleisten.
8. Durch eine entsprechende Kennzeichnung werden wir sicherstellen, dass gentechnikfreie Produkte und Verfahren für die Verbraucherinnen und Verbraucher klar erkennbar sind."
Der rot-grüne Koalitionsvertrag von 1998 sah vor: "Die neue Bundesregierung wird die verantwortbaren Innovationspotentiale der Bio- und Gentechnologie systematisch weiterentwickeln. Alternative Verfahren und Strategien müssen dabei einen angemessenen Raum erhalten".

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Schlagworte

Bundesregierung, Bündnis 90/Die Grünen, Gewässerschutz, Koalitionsvertrag

Letzte Aktualisierung

18.11.2015 10:31

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