Landraub
Wie gehen Investoren damit um?
Rund um den Globus reißen sich Großanleger um Ackerflächen. Schädlicher Landraub sei das, kritisieren Nichtregierungsorganisationen. Auf den Vorwurf des "Landgrabbing" reagierten einige Investoren: Sie haben 2011 den freiwilligen Verhaltenskodex „Prinzipien für verantwortliches Investieren in Ackerland“ entwickelt, denen sich weiter Investoren angeschlossen haben.In großem Stil kaufen oder pachten institutionelle Investoren weltweit Ackerflächen. Unter diesem Phänomen, das international als „Landgrabbing“ bezeichnet wird, versteht man großflächige Landnahmen durch ausländische Investoren in Entwicklungsländern mit dem Ziel, dort Lebensmittel für den Export zu produzieren. Das Volumen von Landkäufen betrug allein 2009 laut Weltbank 45 Millionen Hektar. Nach Angaben des Deutschen Instituts für Menschenrechte wurden hierfür in den letzten Jahren insgesamt bis zu 80 Millionen Hektar Land verkauft beziehungsweise verpachtet, vor allem in Afrika. Das entspreche gut fünf Prozent der landwirtschaftlichen Nutzflächen weltweit.
Angesichts der Finanzkrise, die seit 2007 Anlagen an der Börse erschwert, lockt Land als Realwert milliardenschwere Pensionsfonds bei ihrer Suche nach sicheren Anlagemöglichkeiten an. Die Institutionellen rechnen damit, dass aufgrund der steigenden Weltbevölkerung einerseits und knapper werdenden landwirtschaftlich nutzbaren Böden andererseits die Preise für Nahrungsmittel und Land steigen werden. Zudem werde die zunehmende Nachfrage nach Biosprit diesen Preisanstieg verstärken. Im Zuge der Ackerkaufeuphorie steigen selbst kleine Pensionskassen in das Landgeschäft ein, etwa die Ärzteversorgung Westfalen-Lippe. Über einen Agrarfonds will das berufsständische Versorgungswerk in den USA, Australien und Brasilien hundert Millionen Euro investieren, wie es 2011 dem „Handelsblatt Business Briefing Nachhaltige Investments“ bestätigte.
Nie zuvor investierten Anleger auch derart viel Geld in andere Finanzgeschäfte mit Agrarrohstoffen. Banken und Vermögensverwalter bieten zahllose Agrarfonds an. Ein Phänomen ist in diesem Zusammenhang die Spekulation von Großanlegern mit Agrarrohstoffen.
Schätzungen zufolge existieren weltweit existieren mehrere hundert Millionen Hektar Forst- und Landflächen, in die Anleger investieren können. Nicht nur in Europa, sondern insbesondere in Entwicklungsländern wie Äthiopien, Mali oder dem Sudan. Viele Regierungen empfangen die Investoren mit offenen Händen. Sie scheinen zu hoffen, dass die neuen Landbesitzer die marode Landwirtschaft sanieren und Nahrungsmittel nicht nur für den Export, sondern auch für die Bevölkerung vor Ort produzieren werden.
Nichtregierungsorganisationen bezweifeln das stark. Vom Landkauf profitierten vor allem lokale Eliten und nicht die breite Bevölkerung, kritisieren sie. Da beim Landgeschäft hohe Geldsummen flössen und in Entwicklungsländern oft keine demokratischen und rechtsstaatlichen Strukturen herrschten, wachse die Gefahr von Korruption.
Die Weltbank schilderte 2011 in ihrem Bericht „Rising Global Interest in Farmland“, dass bei der Verpachtung oder dem Verkauf von Ackerland die Rechte der lokalen Bauernbevölkerung oft missachtet werden, was die Lebensgrundlage vieler Menschen vor Ort akut bedroht. Neben der Bauernvertreibung seien auch geringere Löhne sowie Umweltschädigungen problematisch.
Die teilweise teils Jahrhunderte alten Nutzungsrechte der lokalen Bevölkerungen stehen oft in keinem Kataster und darum erhalten sie auch kein Geld. Im Gegenteil: Häufig müssen Gemeinden weichen. Selbst die Menschenrechte würden bei der Durchsetzung der Interessen der Landkäufer verletzt. Der ökonomische Nutzen für die Menschen vor Ort ist also fraglich. „Riesige Monokulturen sind nicht vereinbar mit lokaler Ernährungssicherung und einer inklusiven Entwicklung, von der die Ärmsten profitieren“, sagt Roman Herre, Agrarexperte bei der Menschenrechtsorganisation FIAN. Der Anbau von Soja auf tausend Hektar in Paraguay etwa sichere nur zwei Menschen Arbeit.
Gerade in Afrika werde Ackerland verscherbelt, heißt es. In Sambia bezahle man zwischen 800 und 1000 US Dollar pro Hektar und Jahr, während man in Argentinien 5000 und in Deutschland 24.000 US Dollar zahlen müsse, zitiert ein Beitrag auf Sonnenseite.com 2012 aus dem Buch „Landraub - Reisen ins Reich des neuen Kolonialismus“ von Stefano Liberti.
Unter Einhaltung bestimmter Bedingungen sei der Einfluss von Investoren aus dem Ausland jedoch durchaus positiv, meinen manche Fachleute. „Finanzinvestoren verfügen über ausreichend Kapital, schaffen Arbeitsplätze und bringen das zur Ertragssteigerung nötige Know-how mit. Die Miteinbeziehung der Bauern bleibt jedoch immens wichtig“, zitierte der Online-Newsletter Sonnenseite 2010 Harald von Witzke, Agrarökonom an der Humboldt-Universität Berlin. Mit der Pacht oder dem Verkauf ließen sich die Produktivität steigern und der Zugang zu neuen Technologien sichern. Die potenzielle Bedeutung dessen zeigen einige Zahlen: Noch hungern 900 Millionen Menschen und die Vereinten Nationen schätzen, dass die landwirtschaftliche Produktivität bis zum Jahr 2050 um 70 Prozent gesteigert werden muss, damit alle inzwischen sieben Milliarden Menschen auf der Welt satt werden.
Andererseits aber hat eine Studie der Weltbank in 14 Staaten laut „Sonnenseite“ 2010 gezeigt, dass nur in einem Fünftel der Landkauf-Fälle mit der Bewirtschaftung begonnen worden sei. Außerdem nähmen agroindustriellen Großbetriebe den Kleinbauern Äcker, Wasser und Märkte weg, berichten Betroffene. Investoren müssen sich folglich die weitverbreitete Kritik anhören, Landkauf verursache Vertreibung und Wasserknappheit und sie verstärke Hungersnöte wie 2011 am Horn von Afrika. Selbst die deutsche Landwirtschaftsministerin Ilse Aigner (CSU) warnt einmal, „Land sollte nicht nur als Kapitalanlage gekauft werden“.
Aus diesen Gründen haben sich die mächtigen niederländischen Pensionsfonds APG und PGGM, der britische Pensionsfonds Hermes EOS, der schwedische Pensionsfonds Second Swedish National Pension Fund (AP2) und vier weitere Großinvestoren im September 2011 zu freiwilligen Prinzipien für verantwortliches Investieren in Ackerland (Principles for Responsible Investment in Farmland) verpflichtet. Eine spezielle Arbeitsgruppe der UN-Prinzipien für verantwortliches Investieren (UN PRI), zu der die meisten der Unterzeichner gehören, soll Investoren dabei unterstützen, Umwelt-, Sozial- und Unternehmensführungsaspekte bei ihren Agrarlandinvestments zu berücksichtigen.
Die acht Landkäufer, die zum damaligen Zeitpunkt addiert 1,3 Billionen US-Dollar verwalteten, sagten zu, ökologische Nachhaltigkeitsaspekte bei den Investitionen zu beachten, Arbeits- und Menschenrechte sowie Eigentums- und Nutzungsrechte zu respektieren. Sie verpflichten sich zu berichten über ihre Aktivitäten und Fortschritte bei der Implementierung der Die Großinvestoren sagten außerdem zu, die Prinzipien regelmäßig zu überarbeiten. Worauf achten sie in der Praxis? Besonders wichtig sei die Auswahl der Investmentfonds, an denen man sich beteilige, heißt es bei den Investoren. Es werde hinterfragt, ob sie dieselbe Sicht zum Thema verantwortungsvolles Investment teilen. Zudem machen sie ihren Vermögensverwaltern klare Vorgaben, etwa um eine Verschlechterung der Böden zu verhindern und die Einhaltung von Arbeitsrechten sicher zu stellen.
Manche Regionen werden ganz vom Investment ausgeschlossen, insbesondere Afrika. Denn in afrikanischen Ländern seien die Rechtssysteme zumeist problematisch, lautet die Begründung. Vorgaben könne man nur in Ländern mit funktionierenden Rechtssystemen machen. So hat der schwedische AP2 bislang in den USA, Australien und Brasilien Land erworben, aber nicht in Afrika.
Bisher haben sich weitere 16 weitere Großinvestoren den Prinzipien angeschlossen (März 2013), darunter die deutsche Aquila Capital Green GmbH und die Adveq Management AG aus der Schweiz sowie Firmen aus Großbritannien, Dänemark, den Niederlanden sowie aus Australien und Südafrika. Deren gesamtes verwaltetes Vermögen ist der Initiative laut eigenen Angaben nicht bekannt. Die erst geringe Zahl der Unterzeichner zeigt aber, dass sich viele Investoren der Problematik noch nicht bewusst sind oder sie ignorieren.
Aquila Capital hat im November 2011 als erste deutsche Investmentgesellschaft die Farmland-Prinzipien der PRI unterzeichnet. Seit Sommer 2012 kooperiert sie im Bereich Agrarinvestments zudem mit ECPI, einem europäischen Anbieter von Nachhaltigkeits-Ratings und –Analysen. Das scheint nötig geworden zu sein, nachdem das Unternehmen nicht mehr nur in neuseeländische Milch- und Schaffarmen investiert. Neuseeland ist relativ unproblematisch: Dort gewährleiste ein soziales Sicherungssystem, dass keiner verhungere, heißt es bei der Menschenrechtsorganisation FIAN.
Dagegen bestünden in den USA oder Australien unter anderem aufgrund von Wasserknappheit hohe ökologische Risiken. Landkauf mit dem Ziel, durch intensive Bewirtschaftung schnell hohe Gewinne durch Bioethanol zu erreichen, verringere die ohnehin schon schwindenden Grundwasserreserven, die zur Nahrungsmittelproduktion erforderlich seien. Angesichts großer Dürren und Ernteausfälle rief darum die Welternährungsorganisation FAO Mitte 2012 dazu auf, die Produktion von Bioethanol aus Mais zu stoppen.
Aquila Capital investiert inzwischen auch in Australien und hat Zuckerrohrplantagen in Brasilien erworben. Für institutionelle Investoren prüft sie neben den Bereichen Milchproduktion, Schaf- und Rinderzucht zudem Investitionen in Getreide und Ölsaaten. „Nach Ländern/Regionen liegt unser Fokus auf Ozeanien, Südamerika, Nordamerika und Osteuropa“, erläuterte eine Sprecherin. Insgesamt habe Aquila Capital rund 82 Millionen Euro in Farmen mit über 10.000 Hektar investiert, wobei sie nicht alle zu 100 Prozent erworben wurden. Dabei folgt das Unternehmen zwei Grundsätzen: „Wir vertreiben niemanden von seiner Farm“ und „kein Teller versus. Tank“, das heißt es wird nicht in landwirtschaftlichen Flächen investiert, auf denen Nahrungsmittel zur Gewinnung von Biokraftstoffen angebaut werden. Es gebe eigene klare ökologische, soziale und ethische Leitlinien, die für alle Agrarinvestments gelten. Die Zusammenarbeit mit ECPI soll einen transparenten, effizienten Nachhaltigkeitsprozess sicher stellen.
Auch manche Investoren, die die Farmland-Prinzipien noch nicht unterzeichnet haben, handeln vorsichtig. Beispielsweise lässt die Meag, die Vermögensanlagetochter des UN-PRI-Mitglieds Münchener Rück, vom Ackerflächenkauf die Finger. Sie investiere grundsätzlich nicht in Ackerland und habe bisher kein Programm für Investitionen in Landwirtschaft durchgeführt, erläutert eine Sprecherin. Darum auch habe die MEAG die „Principles for Responsible Investments in Farmland“ noch nicht unterzeichnet. Dagegen will sie einen niedrigen dreistelligen Millionenbetrag in Wald investieren und hat bisher überwiegend Forste in den USA, Australien, Neuseeland und Südamerika erworben. „In Südafrika haben wir lediglich ein kleinvolumiges Investment“, sagt die Sprecherin und erklärt: Für das globale Waldinvestitionsprogramm seien keine Erdteile explizit ausgeschlossen, sondern Regionen oder Länder würden nach den individuellen Investitionsumständen und Nachhaltigkeitsprinzipien beurteilt – beispielsweise ob der Forstmanager die „Principles of Responsible Investments einhalte, Zertifizierungsmöglichkeiten der Forstbestände bestünden und welche mögliche Auswirkungen der Investition auf die lokale Bevölkerung haben könne. Investitionen in tropische Regenwälder seien ausgeschlossen.
Der Effekt der jungen Farmland-Prinzipien ist angesichts der enormen Agrarland-Transaktionen zwangsläufig noch gering. Viele mächtige Investoren scheinen sich nicht darum zu kümmern. Um die eigene Bevölkerung zu versorgen, preschen auf dieses Investmentfeld insbesondere Staatsfonds aus China, Südkorea und Saudi-Arabien vor. Insbesondere chinesische Akteure erwerben gerade in Afrika viel Land.
Skeptisch beurteilt Roman Herre von der Menschenrechtsorganisation FIAN die Prinzipien für Ackerland aus anderen Gründen. Besonders stört ihn, dass es keine „externe“, unabhängige Kontrolle für die Einhaltung der Prinzipien gebe. Trotz des Transparenzprinzips fehlten echte Auskunftspflichten der Investoren gegenüber Dritten. Zudem existierten keinerlei automatische Konsequenzen bei Verstößen gegen die selbst gesetzten Regeln.
Zur Transparenz sagt Christina Olivecrona, die für die Farmland-Prinzipien zuständige Nachhaltigkeitsanalystin des AP2 / Second Swedish National Pension Fund: ”Die Deadline für den Bericht zur Implementierung der Farmland Prinzipien ist für die Gründungsunterzeichner der 31. Dezember 2012. Die Berichte werden auf deren Webseiten erscheinen.” Sobald sie online stünden, hätten die Unterzeichner Christina Olivecrona darüber zu informieren. Für Beobachter ist wenig hilfreich, dass die Berichte nicht auf der Webseite der Initiative erscheinen.
Nichtregierungsorganisationen sähen es gleichwohl am liebsten, wenn die Staaten rasch Gesetze verabschiedeten. Viel wäre gewonnen, wenn etwa von deutschen Unternehmen im Ausland begangene Menschenrechtsverstöße auch in Deutschland verfolgt werden könnten.
Da das nicht so schnell zu erwarten ist, hat sich die die Organisation der Vereinten Nationen für Ernährung und Landwirtschaft (FAO) im Mai 2012 auf Richtlinien gegen die Ausbeutung der Agrarressourcen armer Länder geeinigt. Mit den freiwilligen Leitlinien will die FAO den dort zuletzt rapide angestiegenen Investitionen in Land, Wälder und Fischressourcen begegnen und die Rechte der Menschen vor Ort stärken. Menschenrechtsorganisationen begrüßen die Regeln und fordern deren rasche Umsetzung. Die Leitlinien der Welternährungsorganisation FAO bieten Regierungen beispielsweise eine Orientierung dafür, was sie zur Eindämmung des sogenannten „Landgrabbing“ tun können.
Weitere Informationen auch beim Nachhaltigkeitsrat zum Thema Landraub.
Interne Links
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Handelsblatt Newsletter "Business Briefing Investments"
Bericht der Weltbank: „Rising Global Interest in Farmland“, 2011
Prinzipien für verantwortliches Investieren in Ackerland (Principles for Responsible Investment in Farmland)
FAO: Richtlinien gegen die Ausbeutung der Agrarressourcen armer Länder