ESG-Integration in der Praxis
Mainstreaming: ESG Integration in Titelanalyse & Portfoliomanagement
a. Begriffserklärungen und Hintergründeb. Argumente
c. Initiativen
d. Messung und Herausforderungen
e. ESG-Integration in der Praxis
e. ESG-Integration in der Praxis
Der international verbreitete Begriff „ESG-Integration“ bedeutet, dass konventionelle Kapitalanleger systematisch Umwelt-, Sozial-, und Governance-Aspekten (ESG) bei der Wertpapieranalyse beachten, bei Anlageentscheidungen und dem Portfoliomanagement. Zwei Drittel der Großanleger definieren diese Integration als Auswahl von Titeln unter Beachtung von ESG-Kriterien. Das ergab im November 2011 die Studie „ESG Perception and Integration Practices“ der französischen Research-Agentur Novethic . Hier antworteten Anlageverantwortliche von fast 260 Versicherungen und Altersvorsorgeinstitutionen aus elf Ländern. Viele Institutionelle verstehen jedoch unter ESG-Integration den Ausschluss ganzer kritischer Sektoren, und 56 Prozent der Antwortenden den Ausschluss einzelner Titel aufgrund hoher Risiken oder ethischer Aspekte.Die Integration von ESG-Aspekten helfe, so sagen Institutionelle Anleger, Risiken – insbesondere langfristige - besser zu beherrschen. Solche Risiken waren in den vergangenen Jahren beispielsweise die Ölkatastrophe im Golf von Mexiko 2010, die Nuklearkatastrophe im japanischen Fukushima 2011, der Absturz der Griechenland-Anleihen 2011/2012 mit der Euro-Krise in dessen Folge, aber auch Unsicherheiten im Zusammenhang mit dem arabische Frühling von 2011 und den seither aufflackernden Turbulenzen und Bürgerkriegen in manchen dieser Länder (z.B. Ägypten, Syrien).
Aufgrund der Chance, durch die ESG-Integration Risiken besser zu managen, setzeniInstitutionelle Investoren inzwischen besser als früher das Konzept verantwortliches Investierens um, ergab eine neue Novethic-Studie im Dezember 2013. Sie hatte 165 langfristig orientierte Investoren (Pensionsfonds, Versicherer, Pensionskassen u.a.) in 12 Ländern befragt, die mehr als 5000 Milliarden Euro verwaltetes Vermögen repräsentieren.
Von ihnen kombinieren 60 Prozent mehrere nachhaltige Anlagestrategien - Auswahl von Emittenten auf Basis von ESG-Kriterien, Ausschluss von Titel aus Risikogründen u.a.-, um auf die Emittenten von Aktien oder Anleihen einen stärkeren Druck auszuüben. Das Management von Risiken werde immer mehr zur entscheidenden Motivation, ESG-Aspekte zu beachten, so die Studie. Heute sage bereits ein Drittel der Befragten, ESG habe eine potenzielle „materielle“ Bedeutung für sie.
Integration steht noch am Anfang
Gleichwohl sind die meisten Großanleger erst dabei, eine Politik zur Integration von ESG-Aspekten in das Portfoliomanagement zu entwickeln. Von einer systematischen und konsequenten Integration von ESG-Aspekten in das gesamte, den Anlegern auf dem Kapitalmarkt angebotene Produktportfolio kann bei Vermögensverwaltungen, Pensionsfonds, Versicherungen und Banken noch nicht die Rede sein. Novethic kritisiert: „Paradoxerweise zeigt die Umfrage aber auch, dass die konkrete Beachtung dieser Aspekte nicht voran kommt“. Mehrere Strategien des verantwortlichen Investieren seien rückläufig und 12 Prozent der Antwortenden signalisierten klar, dass nicht geplant sei, sie zu nutzen.
Politiken verblieben oft auf abstrakter Ebene: Beispielsweise haben erst zehn Prozent der europäischen Großinvestoren Anlagepolitiken für heikle Branchen wie Bergbau, Atomkraft oder Palmöl entwickelt. Außerdem seien die Institutionellen weit davon entfernt, über sämtliche Anlageklassen hinweg verantwortlich zu investieren.
Die große Heterogenität der Ansichten, Motive und Praktiken der Institutionellen in verschiedenen Ländern bleibt ein großes Hindernis für die Verbreitung eines koordinierten und effektiven verantwortlichen Investierens, das die Unternehmen bewegen könnte mehr für eine nachhaltige Entwicklung zu tun“, resümiert Novethic.
ESG-Integration bei Kapitalanlagen muss belegt werden
Einzelne Institute, insbesondere die Unterzeichner der UN PRI, bemühen sich gleichwohl darum, einige zentrale Umwelt-, Sozial- und Governance-Aspekte bei allen Anlageklassen zu berücksichtigen. PRI-Mitglieder müssen nachweisen, was sie diesbezüglich tun und wie sie voran kommen. Allerdings macht die PRI-Organisation den Unterzeichnern keine konkreten Vorschriften, sondern gibt ihnen einen sehr großen Ermessensspielraum und nur Leitplanken vor: internationale Umwelt- und Sozialstandards. Hintergrund ist, dass die Initiative konventionelle Kapitaleigner und Vermögensverwalter zunächst dazu bewegen möchte, sich überhaupt zu den Prinzipien der ESG-Integration zu bekennen und dann mit der Arbeit zu beginnen, diese in die Praxis umzusetzen. Die PRI will Finanzakteure dort „abholen“, wo sie stehen.
„Es gibt keine Mindestkriterien, jeder kann machen, was er will”, kritisiert hingegen Barbara Happe von der Nichtregierungsorganisationen Urgewald. Das bemängeln auch interne Kritiker, die nicht genannt werden möchten. Vielfach sind die Aktivitäten auf die Integration sehr weniger Aspekte begrenzt und oft untereinander nicht vergleichbar.
Zwar müssen Mitglieder alljährlich über ihre Fortschritte berichten, aber die Informationspolitik vieler PRI-Mitglieder ließ bisher zu wünschen übrig. Das soll sich ändern. Ab 2014 müssen die Großanleger viel transparenter und solider berichten, damit sich die Vergleichbarkeit und insbesondere die Glaubwürdigkeit verbessern. Für Schönfärberei („Greenwashing“) will sich die PRI nicht hergeben. Schon in der Vergangenheit galt: Wer nicht berichtet, wird ausgeschlossen – das traf seit Gründung bereits viele der 287 aus der Mitgliederliste gestrichenen Akteure. Weil Skepsis an der Ernsthaftigkeit der Initiative angebracht ist, gelten ab 2014 strenge Berichtsvorschriften. Die PRI sprach Ende September 2013 Klartext: „Unterzeichner, die nicht berichten, werden im zweiten Halbjahr 2014 ausgeschlossen“.
ESG-Integration auch bei Kreditvergabe wichtig.
Auch bei der Vergabe von Krediten und Darlehen werden erst selten Umwelt- und Sozialaspekte abgefragt. Meist nur dann, wenn ökologische oder soziale Risiken auf der Hand liegen und ein Risiko für einen Kreditausfall offensichtlich ist.
Aber „ESG-Faktoren sind für die Bewertung von Kreditrisiken sehr relevant und werden gegenwärtig nicht genügend betrachtet“, sagte Florian Sommer dem Handelsblatt im November 2013. Er ist Senior Stratege bei Union Investment und einer der beiden Leiter der PRI-Arbeitsgruppe zu Staats- und Unternehmensanleihen, die zu diesem Ergebnis kam. „Wir PRI-Investoren haben darum die Kreditratingagenturen aufgefordert, ESG-Analysen systematischer zu nutzen.“ Denn wenn ein Kreditnehmer ESG-Aspekte ignoriert, ist die Gefahr höher, dass er ausfällt. So geschehen bei griechischen Staatsanleihen. Investoren, wie die Sparda Bank München, und Fonds, welche Griechenland nicht nur unter ökonomischen, sondern auch unter Nachhaltigkeitsaspekten beurteilen, waren nicht in deren investiert und haben nicht gelitten.
Die Kreditrichtlinien „Basel II“ machen Banken immerhin gewissen Vorgaben, auch solche Risiken abzuprüfen. Doch ein systematischer Check ist erst bei Projektfinanzierungen (Ölpipelines, Staudämme etc.) verbreitet – hierfür haben die meisten international agierenden Projektfinanzierer die Equator Principles unterzeichnet und damit öko-soziale Standards. Manche Banken haben damit begonnen, die Einhaltung der Equator Principles auch bei größeren Unternehmenskrediten zu prüfen.
Dokumente
Trends in ESG Integration in Investments
European asset owners and ESG integration:
practices differ but ideas are changing
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