Aachener Stiftung Kathy Beys

Akademie für Technikfolgenabschätzung, 2001 (Archiv)

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„Das Konzept der Nachhaltigkeit"

Der Begriff der Nachhaltigkeit stammt ursprünglich aus der Forstwirtschaft und bedeutet, dass nur soviel Holz geerntet werden darf, wie in dem jeweiligen Anbaugebiet nachwächst. Die Idee hat die sog. Brundtland-Kommission übernommen. Mit dem Begriff der Sustainability hat sie eine Entwicklung gekennzeichnet, bei der die folgende Generation die gleichen Chancen zur wirtschaftlichen Entfaltung besitzen müsse wie die heute lebende Generation. Mit der internationalen Umweltkonferenz in Rio ist das Konzept des "Sustainable Development" dann global zu einem Leitbild für zukünftige wirtschaftliche und gesellschaftliche Entwicklung geworden.

Nachhaltigkeit ist ein normatives Leitbild zur Verwirklichung einer intergenerationalen Gerechtigkeit zwischen den verschiedenen Generationen (intergenerationale Gerechtigkeit). Was dies im Einzelnen bedeutet, ist allerdings umstritten. Vielfach wird als Erbschaft nur die Menge der natürlichen Ressourcen verstanden, die, von den heutigen Menschen genutzt, folgenden Generationen nicht mehr vollständig zur Verfügung stünden. Darüber wird leicht vergessen, dass zur Erbschaft auch die wirtschaftlichen Errungenschaften einer Volkswirtschaft gehören, die mit Hilfe von Kapital, Arbeit und Natureinsatz geschaffen worden sind, ebenso wie die sozialen Institutionen, mit deren Hilfe Ressourcen gerecht verteilt und Konflikte friedlich ausgetragen werden. Überlegungen zu lokal bzw. regional nachhaltigem Handeln müssen neben der intergenerativen Gerechtigkeit zusätzlich Gesichtspunkte der Gerechtigkeit zwischen heute lebenden Bevölkerungsgruppen (z.B. Nachbarn oder Handelspartnern) berücksichtigen (intragenerative Gerechtigkeit).

..... hat die Akademie für Technikfolgenabschätzung in Baden-Württemberg ein Konzept zur Nachhaltigkeit vorgelegt, das sich zunächst an den Bedingungen und Anforderungen einer ökologisch orientierten Zukunftsfähigkeit ausrichtet und auf dieser Basis die Bedingungen der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit und der Sozialverträglichkeit thematisiert und alle drei Komponenten in ein integratives Konzept der Nachhaltigkeit einbringt. Ausgangspunkt der Überlegungen ist die Sicherstellung von intergenerationaler Gerechtigkeit. Kommenden Generationen soll es im Schnitt nicht schlechter gehen als der heutigen Generation, allerdings nicht auf Kosten heute lebender Nachbarn oder Handelspartner. Aufgrund der großen Streubreite von Lebensstandards und Lebensbedingungen in der Welt kann der Maßstab für Nachhaltigkeit nicht aus dem gegenwärtigen Standard in den Industrieländern oder den sich entwickelnden Ländern abgeleitet werden. Vielmehr ist an ein Lebensniveau zu denken, das Grundbedürfnisse sicherstellt und Entwicklungsmöglichkeiten für den einzelnen Menschen wie für Gesellschaften offen hält. Der Maßstab der erhaltenswerten Lebensbedingungen ist daher aus den Anforderungen eines humanen und menschenwürdigen Lebens in einer den Bedürfnissen und Wünschen der Menschen angepassten kulturellen und natürlichen Umwelt abzuleiten.

Zentraler Begriff dabei ist die Ultra-Stabilität. Es geht nicht um Stillstand oder um Konservierung, sondern um Wandel und Dynamik in einem Rahmen, der die Grundfunktionen einer zukunftsgerechten Entwicklung nicht aus den Angeln hebt. Die Bedingungen für Ultra-Stabilität lassen sich im wesentlichen aus den Funktionen der verschiedenen Umwelten für den Menschen ableiten.

  • Im Rahmen der natürlichen Umwelt geht es zunächst um die Erhaltung der lebensbedingenden Faktoren wie Boden, Luft und Wasser. Zum zweiten geht es um Risikobegrenzung bei Interventionen, die gesundheitliche, ökologische oder klimatologische Auswirkungen haben. Zum dritten geht es um die Nutzung der Umwelt als Reservoir für Rohstoffe und Abfallbecken (sinks). Hier ist zumindest die mögliche Nutzungsrate (unter Einschluss von Substitutionsprozessen) konstant zu halten. Schließlich geht es auch um kulturelle und ästhetische Werte, die mit bestimmten Naturphänomenen verbunden werden.
  • Im Rahmen der Wirtschaftsordnung geht es um die Aufrechterhaltung und Organisation von Produktion und Reproduktion. Das oberste Ziel ist hier die Schaffung einer Wirtschaftsordnung, die mit den begrenzten Ressourcen dieser Welt effizient umzugehen versteht. Darunter sind weiterhin zu nennen: ausreichende und effiziente Versorgung der Menschen mit den Gütern, die zur Aufrechterhaltung eines humanen Lebens notwendig sind. Solche Güter können privater und öffentlicher Natur sein. Zum zweiten geht es darum, die über die Grundbedürfnisse hinausgehenden Güter und Dienstleistungen so anzubieten, dass ihre möglichen externen Kosten für Umwelt und andere Personen minimiert oder im Preis reflektiert werden. Schließlich muss Innovationsfähigkeit sichergestellt sein, weil ohne Wandel der Produktionsprozesse die Begrenztheit der Ressourcen zwangsläufig zu einer Belastung künftiger Generationen führen müsste. Dazu muss auf der einen Seite ein flexibler Ordnungsrahmen gesichert und auf der anderen Seite ausreichend Know-how im Sinne von Kapital und Humanressourcen vorhanden sein.
  • Im sozialen und kulturellen Bereich geht es vor allem um die Wahrung der menschlichen Identität im Rahmen von Gemeinschaften und Gesellschaft. Auch in Zukunft müssen Menschen Gelegenheit haben, Beziehungen aufzubauen, sich selbst als Teil einer breiteren Kultur zu verstehen und im Rahmen von Ordnungssystemen Orientierungssicherheit zu finden sowie institutionelle Möglichkeiten für eine friedliche Lösung von Konflikten vorzufinden. Zu den Funktionen von Sozialsystemen gehören Motivation durch gerechte Verteilungsschlüssel, Solidarität mit anderen Menschen, kulturelle Identitätsbildung und Sinnstiftung sowie die Sicherstellung von verhaltensregulierenden Normen und Gesetzen.
Die dreidimensionale Sichtweise von Nachhaltigkeit bedingt daher eine Aufgliederung der Grundfunktionen in jedem Bereich in Teilfunktionen und später in Kriterien und Indikatoren. Erst danach kann über eine Integration im Sinne der Nachhaltigkeit entschieden werden.“

Hier geht's Die Akademie für Technikfolgenabschätzung wurde inzwischen eingestellt.


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30.09.2013 13:39

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