Aachener Stiftung Kathy Beys

Generationengerechtigkeit

Der Begriff Generationsgerechtigkeit

Der Begriff Generationengerechtigkeit spricht ungleiche Lebensbedingungen zwischen den Angehörigen unterschiedlicher Generationen an. Er bezieht sich dabei meist auf politische, soziale oder ökologische Themenfelder. Der Begriff umfasst neben den unterschieden zwischen Jung und Alt auch unterschiede zwischen den Geschlechtern, Arm und Reich oder der Herkunft. Dabei darf jedoch nicht ausser Acht gelassen werden, dass es sich bei der Generationengerechtigkeit um eine ungewollte ungleichbehandlung der verschiedenen Akteure handelt. Einer der Hauptursachen für die "GenerationenUNgerechtigkeit" ist die gegenwärtige demographische Entwicklung. Auf Deutschland lässt sich das Modell der Bevölkerungsurne anwenden. Hierbei nimmt die Zahl der älteren Menschen stetig zu während die Anzahl an Kindern drastisch reduziert wird. Problematisch ist daran vor allem das die geringere Zahl der jungen Menschen die Kosten des sozialen Sicherungssystems (Rente, Pflegeversicherung etc.) der zahlreichen älteren Menschen stemmen muss.

Das Konzept der Generationengerechtigkeit ist mittlerweile auch ein zentrales Element der Politik und eine Koordinate der Nachhaltigkeitsstrategie von 2002. Darüber hinaus hat der Begriff auch in der Öffentlichkeit an Bedeutung gewonnen. Trendforscher prognostizieren, dass es sich bei der Generationengerechtigkeit um den Begriff der Zukunft handelt, der in einem Atemzug mit Nachhaltigkeit genannt werden wird.

Zusammenfassend basiert der Begriff der Generationsgerechtigkeit auf drei Ebenen:

1. Gerechtigkeit zwischen Gegenwärtigen und zukünftigen Generationen
Gemeint ist hier die Gerechtigkeit zwischen Jung und Alt, heutiger und künftiger Generationen aber auch um Gerechtigkeit zwischen Angehörigen einer gemeinsamen Generation. Bezogen auf Letzteres ist zum Beispiel ein Gleichgewicht zwischen Eltern und Kinderlosen gemeint. Fragen der Generationengerechtigkeit werden somit ein zentraler Aspekt der Nachhaltigkeitsdebatte.

2. Gerechte Verteilung der Lebenschancen und -qualität
Generationsgerechtigkeit bedeutet in diesem Kontext die gleichmäßige Verteilung von Lebenschancen, materiellen Ressourcen und Lebensqualität unter den Generationen. Allerdings darf nicht vergessen werden: Die Freiheit jeder Generation ist durch die Verantwortung gegenüber künftigen Generationen begrenzt.

3. Zukunftsfähigkeit des sozialen Sicherungssystem
Im sozialen Bereich ist eine generationengerechte Gestaltung des sozialen Sicherungssystems von größter Wichtigkeit. So muss zum Beispiel die gesetzliche Rentenversicherung zukunftsfähig ausgestaltet sein, sodass für das Wohl älterer Generationen gesorgt ist.


Der Generationenvertrag

Jeder Mensch durchläuft im Verlauf seines Lebens 3 Phasen. Zunächst ist er Empfänger, dann Unterstützer und schließlich wieder Empfänger der Leistungen von anderen. Die Verflechtung der Generationen durch Leistungen und Gegenleistungen wird in Deutschland als Generationenvertrag bezeichnet, wobei dieser Vertrag nicht in schriftlicher oder anderer Form verbindlich niedergelegt ist. Eine wesentliche Voraussetzung für seine Wirksamkeit ist die freiwillige Bereitschaft zur Anerkennung der gegenseitigen Verpflichtungen der beteiligten Generationen. Dabei ist wichtig, dass am Generationenvertrag immer drei Generationen unmittelbar beteiligt sind, nicht nur zwei. Denn jeder Mensch empfängt zweimal in seinem Leben die Unterstützung durch andere Generationen, denen zwei Gegenleistungen an die Generationen seiner Eltern und seiner Nachkommen gegenüberstehen.

So kann dieser Sachverhalt viel mehr mit dem Begriff "Drei-Generationen-Vertrag" richtiger bezeichnet werden. Spricht man von einem "Zwei-Generationen-Vertrag" dann wird dem Irrtum Vorschub geleistet, dass die mittlere Generation durch ihre Einzahlungen zum Beispiel in die gesetzliche Rentenversicherung, schon die Leistungen für ihre eigene Versorgung im Alter erbracht hätte. Die mittlere Generation gibt mit diesen Einzahlungen nur die von ihr in der Kindes- und Jugendphase empfangenen Leistungen an ihre Elterngeneration zurück. Ihre eigene Versorgung im Alter wird erst von der Generation ihrer Nachkommen erwirtschaftet. Die Funktionsfähigkeit des Generationenvertrages, bzw. die Sicherheit der Versorgung im Alter hängt daher entscheidend vom Größenverhältnis der aufeinander folgenden Generationen ab, die Versorgungsleistungen empfangen und erbringen. Dieses Größenverhältnis wird entscheidend von der Geburtenrate bestimmt.



Generationengerechtigkeit und Nachhaltigkeit

Für beiderlei Begriffe, Generationsgerechtigkeit als auch für Nachhaltigkeit, existieren eine Vielzahl an Definitionen. In beiden Fällen lassen diese jedoch großen Spielraum zu.

Die Nachhaltigkeit nimmt im Kontext der Gerechtigkeit gegenüber zukünftigen Generationen Bezug zur Generationengerechtigkeit. Im Konzept der Nachhaltigkeit wird dieser Form der Gerechtigkeit eine dynamische Entwicklung zugeschrieben, während der Generationengerechtigkeit einen Idealzustand beschreibt. In einer online Publikation der Rosa Luxemburg Stiftung, verfasst von Andrea Heubach wird der Zusammenhang zwischen der Nachhaltigkeit und der Generationengerechtigkeit thematisiert:

"Neoliberale Konzepte von Nachhaltigkeit stützen sich auf das von der Weltbank entwickelte Modell, in welchem sich das „Nachhaltigkeitskapital“ aus der Summe der Kapitalstöcke Umwelt, Wirtschaft und Gesellschaft bildet. Nachhaltigkeit ist demnach gegeben, wenn auf Dauer von den „Zinsen“ und nicht vom „Kapital“ gelebt werden kann. In einer solch ökonomistischen, auf der Erhaltung eines Gesamtkapitals und der Austauschbarkeit unterschiedlicher Kapitalarten basierenden Vorstellung, geht die im Brundtland-Text festgehaltene Priorität der Armutsbekämpfung vollständig unter. Als Gegenmodell zur Reduktion aller Gegebenheiten zu Kapital, bietet sich ein Leitplankenmodell der Nachhaltigkeit an, wie es vom Bundesumweltamt mit der Vorstellung ökologischer Leitplanken vertreten wird. Am vielversprechendsten scheint dabei jedoch ein Modell, das mit einer Leitplanke des Sozialen und einer Leitplanke des Ökologischen, sowohl der ökologischen Komponente Rechnung trägt – und damit auch mit einem intrinsischen Wert außermenschlicher Natur verträglich ist – als auch die Achtung gleicher Menschenrechte und die Reduktion bestehender sozialer und nicht zuletzt globaler Ungleichheiten einfordert.

Während die Brundtland-Definition auf eine Bedarfsgerechtigkeit abzielt, suggeriert das Kapitalstockmodell eine funktionalistische Gerechtigkeit im Sinne der Erhaltung eines möglichst hohen Gesamtvolumens an nutzbarem Kapital. Das vorgeschlagene Leitplankenmodell der Nachhaltigkeit zielt auf klare Grenzen in der Beeinträchtigung der Natur und der sozialen Gerechtigkeit ab und ist so mit einem egalitären Verständnis von Gerechtigkeit vereinbar – sowohl im jeweils Präsentischen als auch zukunftsgerichtet.

Wie Ulrich Schachtschneider anführt, ergibt sich aus dem Postulat der Nachhaltigkeit kognitiv „die Forderung nach intra- und intergenerationeller Gerechtigkeit: Eine Politik, die jetzt keine Gerechtigkeit herstellen kann, ist ebenso wenig dauerhaft durchhaltbar wie eine Politik, die Probleme auf folgende Generationen abwälzt.“ Praktisch sind intra- und intergenerationelle Gerechtigkeit Voraussetzungen für die Nachhaltigkeit einer Entwicklung. Theoretisch gründet sich die Forderung nach Nachhaltigkeit auf intra- und intergenerationelle Gerechtigkeit als wichtigste normative Grundlagen.

Intergenerationelle Gerechtigkeit impliziert in der aktuellen Debatte häufig einen Vergleich der Lebensbilanzen unterschiedlicher Generationen, der zur Rede von Kapital verleitet. Generationengerechtigkeit – der eingangs vorgeschlagenen Definition gemäß – als Gebot der Nicht-Benachteiligung verstanden, ist vielmehr als Leitprinzip zu begreifen, das eine prinzipielle Gleichbehandlung unterschiedlicher Generationen einfordert, nicht als Postulat einer mathematischen Gleichung mit verschiedenen Kapitalien."

(Quelle: Andrea Heubach "Generationengerechtigkeit als theoretischer Baustein Nachhaltiger Entwicklung?")


Dokumente

Generationengerechtigkeit in alternden Gesellschaften
Generationengerechtigkeit

Interne Links

Externe Links

Generationengerechtigkeit als theoretischer Baustein Nachhaltiger Entwicklung?
Grundlagen der Generationengerechtigkeit
bpb: Generationengrechtigkeit

Schlagworte

Bevölkerung, Demographischer Wandel, Generationengerechtigkeit, Generationenvertrag, Lebensqualität, Nachhaltige Entwicklung

Letzte Aktualisierung

03.11.2015 10:52

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