Demographischer Wandel
DefinitionDer Begriff "demographischer Wandel" meint im Grunde die Veränderung der Altersstruktur der Bevölkerung eines Landes. In Deutschland findet man aktuell einen Trend hin zu einer alternden Gesellschaft. Grund dafür sind die sinkenden Zahlen für Neugeborene und die steigenden Werte bezogen auf eine Bevölkerungsgruppe mit einem hohen Lebensalter. Grafisch dargestellt werden kann dies in einer Bevölkerungsurne. Zukunftsprognosen besagen, das bis zum Jahre 2050 die deutsche Bevölkerung um 7 Millionen Menschen auf insgesamt 75 Millionen sinken wird. Die demographische Entwicklung und der fortschreitende Strukturwandel werden unsere Gesellschaft spürbar verändern. Der Druck auf die gewachsenen politischen und sozialen Strukturen steigt.
Tendenzen
Gründe, warum wir gegenwärtig nur wenig von den Folgen des demographischen Wandels spüren, gibt es in zweierlei Hinsicht. Zum einen gibt es in Deutschland ca. 14 Millionen Menschen mit Migrationshintergrund die den Rückgang einigermaßen ausgleichen. Zum anderen ist die durchschnittliche Lebenserwartung seit 1970 um 10 Jahre gestiegen. Beide Faktoren konnten bisher die Lücken, die durch die sinkenden Bevölkerungszahlen entstanden sind, auffangen. In naher Zukunft jedoch wird die Generation die noch ein Bevölkerungswachstum begünstigt hat, ins Rentenalter übergehen. Wenn diese "Babyboomer" altern, wird die Zahl der Sterbefälle, die schon seit 1972 jene der Geborenen übersteigt, immer weiter anwachsen und kann durch eine realistische Zahl von Zuwanderern nicht mehr ausgeglichen werden. Nach Berechnung des Statistischen Bundesamtes wird bei einer durchschnittlichen jährlichen Netto-Zuwanderung von 200.000 Personen die Einwohnerzahl bis zum Jahr 2050 auf 75 Millionen zurückgehen. Würden jährlich nur 100.000 Menschen nach Deutschland migrieren (was in etwa den gegenwärtigen Werten entspricht), würde dies eine noch drastischere Reduzierung der deutschen Bevölkerung auf 68 Millionen bedeuten. Unabhängig von der absoluten Bevölkerungszahl wird sich auch das Verhältnis von jüngeren zu älteren Menschen stark verändern. So ist prognostiziert, dass die Zahl der Personen im Erwerbsalter zwischen 20 und 60 Jahren bis 2050, um mehr als ein Fünftel abnehmen wird. Die der unter 20-Jährigen sogar um 30 Prozent. Gleichzeitig steigt der Anteil der über 60-Jährigen an der Gesamtbevölkerung von heute 25, auf dann 37 Prozent.
Der Generationenvertrag
Jeder Mensch durchläuft im Verlauf seines Lebens 3 Phasen. Zunächst ist er Empfänger, dann Unterstützer und schließlich wieder Empfänger der Leistungen von anderen. Die Verflechtung der Generationen durch Leistungen und Gegenleistungen wird in Deutschland als Generationenvertrag bezeichnet, wobei dieser Vertrag nicht in schriftlicher oder anderer Form verbindlich niedergelegt ist. Eine wesentliche Voraussetzung für seine Wirksamkeit ist die freiwillige Bereitschaft zur Anerkennung der gegenseitigen Verpflichtungen der beteiligten Generationen. Dabei ist wichtig, dass am Generationenvertrag immer drei Generationen unmittelbar beteiligt sind, nicht nur zwei. Denn jeder Mensch empfängt zweimal in seinem Leben die Unterstützung durch andere Generationen, denen zwei Gegenleistungen an die Generationen seiner Eltern und seiner Nachkommen gegenüberstehen.
So kann dieser Sachverhalt viel mehr mit dem Begriff "Drei-Generationen-Vertrag" richtiger bezeichnet werden. Spricht man von einem "Zwei-Generationen-Vertrag" dann wird dem Irrtum Vorschub geleistet, dass die mittlere Generation durch ihre Einzahlungen zum Beispiel in die gesetzliche Rentenversicherung, schon die Leistungen für ihre eigene Versorgung im Alter erbracht hätte. Die mittlere Generation gibt mit diesen Einzahlungen nur die von ihr in der Kindes- und Jugendphase empfangenen Leistungen an ihre Elterngeneration zurück. Ihre eigene Versorgung im Alter wird erst von der Generation ihrer Nachkommen erwirtschaftet. Die Funktionsfähigkeit des Generationenvertrages, bzw. die Sicherheit der Versorgung im Alter hängt daher entscheidend vom Größenverhältnis der aufeinander folgenden Generationen ab, die Versorgungsleistungen empfangen und erbringen. Dieses Größenverhältnis wird entscheidend von der Geburtenrate bestimmt.
Auswirkungen
Betrachtet man die letzten 30 Jahre, so kann man jedoch davon sprechen, dass von den sinkenden Bevölkerungszahlen profitiert werden konnte. Seit Beginn der 1970er Jahre wurden hierzulande – im Vergleich zur bestandserhaltenden Zahl von 2,1 Kindern je Frau – mehr als 10 Millionen Kinder zu wenig geboren. Die entsprechenden Investitionen in Bildung und Erziehung, in Kleidung oder Spielplätze bleiben erspart. Als in den 1980er und 1990er Jahren nach und nach die große Gruppe der Babyboomer ins Berufsleben eintrat, mussten diese nur für eine geringe Anzahl Kinder und noch nicht für viele Alte aufkommen. Die mittleren und älteren Generation erlangten dadurch enormen Wohlstand. Für Deutschland bedeutete dies allerdings einen Mangel an Zukunftsfähigkeit. Denn so günstig wie in den vergangenen zwanzig Jahren wird die demographische Situation auf absehbare Zeit nicht mehr werden.
So erfreulich es für jeden Einzelnen ist, ein längeres Leben bei guter Gesundheit zu verbringen, so wenig ist die Gesellschaft auf die Folgen des demographischen Wandels vorbereitet. Die Abwanderung trifft vor allem Regionen außerhalb der Zentren. Bereits heute wird das umlagefinanzierte Rentensystem (die gegenwärtig Erwerbstätigen zahlen mit ihren Beiträgen die Renten der Älteren) auf das Äußerste strapaziert. Denn es gibt zu wenige Einzahler. 80 Milliarden Euro müssen bereits jährlich aus Steuermitteln zugeschossen werden. Schuld daran ist noch nicht die demographische Entwicklung, sondern der Zustand des deutschen Arbeitsmarktes. Das eigentliche demographische Problem der Rentenkassen steht noch bevor: Wenn die geburtenstarken Jahrgänge etwa von 2015 an in den Ruhestand gehen, wird sich das Verhältnis von potenziellen Einzahlern zu Rentenempfängern, also das Verhältnis der 20- bis 60-Jährigen zu den Älteren, von heute etwa 100 zu 45 bis auf etwa 100 zu 80 im Jahr 2050 verändern. Aufgrund der zunehmenden Zahl an Rentnern und der sinkenden Zahl an Beitragszahlern müssen die Beiträge zukünftig weiter angehoben werden, um das bisherige Niveau der Renten zu halten. Hinzu kommt, dass durch die zunehmende Überalterung der Gesellschaft die gesetzliche Rentenversicherung immer länger Renten an ihre Mitglieder zahlen muss. Um diese Entwicklung zu finanzieren, müsste der Rentenbeitrag im Laufe der nächsten Jahrzehnte um mehr als 20 Prozent angehoben werden.
Weniger Erwerbstätige belasten jedoch nicht nur die sozialen Systeme, der Schwund kann auch negative Auswirkungen auf Wirtschaftswachstum und die Innovationsfähigkeit der Gesellschaft haben. Die ökonomische Entwicklung einer Gesellschaft wird im Wesentlichen aus drei Quellen gespeist: Dem Produktionskapital, der Zahl der Arbeitskräfte und dem technischen Fortschritt. Seit Anfang der 1990er Jahre stagniert die Zahl der Erwerbstätigen, und sie wird bald schon aus demografischen Gründen sinken. Wirtschaftswachstum kann dann bei gleich bleibendem Produktionskapital nur noch durch technischen Fortschritt erzielt werden. Ob jedoch die alternden Erwerbstätigen beim Erfinden mit den viel jüngeren Bevölkerungen etwa in Frankreich, den USA, in Indien oder China werden Schritt halten können, und ob notwendige Investitionen nicht dort, statt in einem stark alternden Land getätigt werden, ist keineswegs sicher.
Mit den Folgen des demographischen Wandels kann auf verschiedene Weise umgegangen werden:
- Erhöhung des Beitragssatzes
- Senkung des Rentenniveaus
- Erhöhung der Zahl der Beitragszahlenden (zum Beispiel durch eine Anhebung der Geburtenrate, durch eine Erhöhung der Erwerbsbeteiligung der Frauen, durch eine Senkung der Arbeitslosigkeit, eine Verkürzung der Ausbildungszeiten oder durch die Einwanderung von jungen Erwerbstätigen)
- Verringerung der Zahl der Rentenbezieher durch eine Anhebung des Ruhestandsalters
- teilweise Finanzierung der Ausgaben der Rentenversicherung aus Steuermitteln
Demographischer Wandel in Deutschland
Demographischer Wandel - (k)ein Problem
Mobilitätssicherung in Zeiten des demographischen Wandels
Interne Links
- Bevölkerungswachstum: Szenarien
- Bundesministerium für Familien, Senioren, Frauen und Jugend
- Bundesministerium für Gesundheit
Aktuelle Prognosen finden Sie auf der Website des Demografiekongresses
Demographischer Wandel (bpb)
Demographischer Wandel und soziale Sicherheit
Ökonomische Folgen des demographischen Wandels
Demografischer Wandel - den Wandel aktiv gestalten