Stakeholderdialoge
Für Unternehmen gewinnen neben internen Werkzeugen auch Dialogprozesse an Bedeutung – nicht nur für die externe Kommunikation, sondern auch die Geschäftspolitik. Immer öfter lassen sich Konzerne, aber auch mittelständische Unternehmen auf direkte Gespräche mit ihren Interessengruppen (Stakeholdern) ein. Manche wollen Kritikern nur den Wind aus den Segeln nehmen oder stellen sich mit einer offensiven Kommunikationsstrategie als "good guy" dar. Das funktioniert nur, wenn dem nachweislich Taten im Kerngeschäft zugrunde liegen.Manche Unternehmen aber wollen ernsthaft die gesellschaftlichen Ansprüche an das Unternehmen kennen und verstehen lernen und diese strategisch berücksichtigen. Sie versuchen, sich den Anforderungen der Gesellschaft ernsthaft zu stellen und mit Anspruchsgruppen im Rahmen so genannter Stakeholderdialog direkt zu sprechen.
Oft aber nutzen Unternehmen das Potential von Dialogen nur rudimentär. So betreiben erst wenige multinational aktive Unternehmen einen kontinuierlichen und konstruktiven Austausch über soziale und ökologische Aspekte des Kerngeschäfts. Unternehmen betreiben oft nur projektorientierte Dialoge – ist das Projekt beendet oder kommt es zu keiner Übereinstimmung erstirbt der Dialog und damit entgehen Chancen für einen strategischen Austausch. Meist laden Unternehmen ihre Anspruchsgruppen erst ein, wenn sie aufgrund von Skandalen öffentlich mit Vorwürfen konfrontiert sind. Problem- oder krisenorientierten Dialoge werden oft nur kurzzeitig geführt.
Sie können allerdings der Auftakt für einen kontinuierlichen, strategieorientierten Dialogprozess sein. Manche Banken gehen diesen Weg, um ökologische und soziale Risiken bei Projektfinanzierungen und bei der Kreditvergabe zu minimieren. Strategische Stakeholderdialoge eignen sich aber auch zur zukunftsorientierten, verantwortungsvollen Ausrichtung von Strategie und Management, wie Unternehmen berichten. Dieses Potenzial liegt bei den meisten Dialogprozessen brach.
Stakeholderdialoge gewinnen deswegen an Bedeutung, weil Medien, Kunden, Nichtregierungsorganisationen (NGOs), Politik und Investoren wie nie zuvor darauf achten, ob Unternehmen verantwortlich handeln sowie vor allem Menschenrechte und Umweltschutz an allen Standorten weltweit ernst nehmen. Durch das Internet verbreiten sich Informationen rasend schnell – und auch der Widerstand gegen missliebige Geschäftspraktiken organisiert sich rasch. Mehr als früher sehen sich Unternehmen mit Kundenboykotten konfrontiert. „Ohne einen systematischen Stakeholderdialog ist es, als hätte eine Aktiengesellschaft keine Investor Relations Abteilung“, sagt dazu Wirtschaftsprüfer Dieter Horst von PricewaterhouseCoopers (PwC).
Da insbesondere NGOs zuerst entscheidende Zukunftsthemen erkennen und gesellschaftliche Interessen formulieren, sollten sich Unternehmen direkt mit ihnen austauschen, zumal sie enormes ökologisches und soziales Know-how haben. Dialoge dienen anfangs dazu, alle Themen und Fragen, die von außen an die Unternehmen heran getragen werden, zu sortieren und Prioritäten zu setzen. In der zweiten Phase können die Stakeholder einzelne Vorhaben oder die Weiterentwicklung der Gesamtstrategie kritisch begleiten. Hier kann es um eine langfristige Nachhaltigkeitsstrategie mit konkreten Selbstverpflichtungen und Zielen gehen. Dabei lernen beide Seiten voneinander.
Unternehmen beginnen Dialoge oft widerwillig, finden sie arbeitsaufwändig und lästig. „Erst mit der Zeit merken sie, wie viel Potenzial in einem gut geführten Dialog liegt“, sagt Nachhaltigkeitsexpertin Heike Leitschuh. Sinnvoll sei, die Öffentlichkeit auszuschließen. „Denn nur in einem kleineren, geschützten Rahmen sind alle Seiten in der Lage und bereit, offen über kritische Punkte zu sprechen und Vertrauen aufzubauen.“ Unternehmen und Stakeholder sollten möglichst immer dieselben Vertreter schicken und die Gesprächsrunden von kompetenten Moderatoren leiten lassen, die eventuelle Konfliktsituationen entschärfen können.
Nicht zuletzt können auch gesellschaftlich relevante Kooperationen entstehen. Das ist allerdings ein schwieriger Balanceakt. „Bei Dialog und Kooperation müssen sich beide Seiten ihrer – sehr unterschiedlichen – Rollen bewusst bleiben“, betont Heike Leitschuh im Jahrbuch der Unternehmenskommunikation 2007. Es müsse möglich sein, dass NGOs bei einem Thema mit dem Unternehmen vertrauensvoll zusammenarbeiten, es aber auf einem anderen Gebiet öffentlich kritisierten. Unternehmen müssten das aushalten können.
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