Aachener Stiftung Kathy Beys

Investor Relations als Botschafter

Nachhaltigkeit gewinnt an Bedeutung für Firmen wie für Investoren. Bei vielen Abteilungen für Investor Relations ist das aber noch nicht angekommen. Ein Profi-Verband will das ändern. Vorstand und Geschäftsführung des Deutschen Investor Relations Verbandes (D.I.R.K.) bringen die Berufsgruppe auf Trab. Sie treiben seit Oktober 2009 engagiert ein Thema voran, das für viele Mitglieder absolutes Neuland ist: Unternehmensverantwortung zu Umwelt, Sozialem und Governance (ESG).

Die meisten IR-Mitarbeiter von Klein- und Mittelständlern (KMU) befassten sich damals noch nicht damit, die Kenntnisse nähmen mit der Firmengröße ab, quer durch fast alle Branchen, berichtete der Verband. Er stößt darum seither bei Investor Relations inhaltliche Diskussionen zur Nachhaltigkeit an. „Nachhaltigkeit ist unabhängig von der aktuellen Werte- und Vertrauensdebatte ein Trend in der Gesellschaft und am Kapitalmarkt, an dem IR nicht vorbeikommt“, betont der Vorstand. Der Verband thematisiert ESG und Socially Responsible Investment (SRI) in seinem Newsletter, bei Schulungen und auf Mitgliederversammlungen. IR-Experten aus Konzernen erklärten ihren KMU-Kollegen, warum das wichtig ist und wobei es darauf ankommt.

So thematisiert die Jahreskonferenz von 2014 unter dem Motto „Die Kapitalmärkte am Scheideweg - wo spielt künftig die Musik?“ nicht nur Fragen wie: Börse oder Dark Pools? USA und China oder Europa und Deutschland? Aktie oder Anleihe? Sondern ein Schwerpunkt des Nachmittags ist die Nachhaltigkeitskommunikation aus Sicht unterschiedlicher Kapitalmarktteilnehmer. Ein zusätzlicher Workshop geht der Frage nach: Was bedeutet eine integrierte Berichterstattung -> Integrated Reporting (interner Link!) im Alltag der Investor Relations?

Unternehmen müssten zu diesem Thema auf Augenhöhe mit Analysten und Investoren sprechen können, argumentiert der Vorstand auch heute noch. Die Entwicklung sei nicht mehr aufzuhalten und sowohl für Aktien, als auch zunehmend auch für Firmenanleihen relevant. Zwar sei es insbesondere für KMU manchmal schwierig, das Controlling und Reporting aufzusetzen, aber das Thema biete eine Chance für IR, sich bei Anlegern gut zu positionieren – gerade auch für kleine und mittlere Unternehmen.

„Wenn IR-Abteilungen die Chance nutzen, als Inkubator im Unternehmen aufzutreten und sich aktiv nach außen mit ESG-Themen zu positionieren, nehmen Analysten und Investoren das Thema wahr als das was es ist: bedeutsam für die Firmenbewertung“, so der Vorstand, der zwar kein Vorreiter der Debatte ist, aber inzwischen voll eingestiegen. Wer glaube, das mache zu viel Arbeit, sei gewarnt: Zunehmend fragten Investoren nach Informationen - dann solle man besser nicht nackt da stehen. Vom Verband ist einiges zu erwarten. Beim sozialen Netzwerk der IR-Profis Global Investor Relations Network (GIRN) steht Nachhaltigkeit noch nicht im Fokus.


Bedeutsam für die Firmenbewertung
Je größer die Firmen, umso stärker setzen sich Investor Relations mit Unternehmensverantwortung (Corporate (Social) Responsibility, C(S)R) auseinander, ergab schon 2009 auch eine Online-Umfrage der Deutsche Vereinigung für Finanzanalyse und Asset Management (DVFA) und der Beratungsagentur Akzente. „Das ist durch die Nachfrage von Analysten und Investoren geleitet als auch von der Überzeugung, dass ESG-Themen einen hohen wirtschaftlichen Wert haben sowie Firmenwert und Unternehmenserfolg beeinflussen“, resümierte der Autor Axel Klein. Das gelte vor allem für Innovationsmanagement und Klimaschutz. Von den 300 befragten IR-Managern der Unternehmen im Prime Standard der Deutschen Börse antworteten jedoch nur 27 Prozent. Das schränkt die Aussagekraft der Studie ein und lässt den Schluss zu, dass sich die meisten noch nicht den neuen Herausforderungen stellen. Gerade für IR sei aber wichtig, Investoren zu belegen, was ihre Unternehmen leisten, sagen Fachleute.

Mit den Leistungen aber sind Unternehmen – sowohl Konzerne als auch KMU – seither noch nicht stark vorangekommen. Das kritisieren nicht nur Nichtregierungsorganisationen, sondern selbst führende Vorstandschefs rund um den Globus, etwa in einer Global-Compact-Umfrage vom Herbst 2013 (siehe Wirkungszusammenhänge Finanzmarkt und Unternehmen). Auch Ratingagenturen ziehen eine ernüchternde Bilanz. So konstatiert die Münchener Oekom Research in ihrem Corporate Responsibility Review 2014 einen „Stillstand beim Management sozialer und ökologischer Herausforderungen in den Unternehmen“.

Das kann Investor-Relations-Abteilungen in Erklärungsnot bringen – wenn denn Investoren auf entsprechende Leistungen drängen. Unternehmen, die solide Umwelt- und Sozialleistungen vorweisen, können sich diesbezüglich abheben. „Aktiengesellschaften mit ausgeprägter Corporate Responsibility sollten ihre Argumentation gegenüber Investoren, Analysten und Finanzmedien überprüfen“, rät Klein. Dafür sei die Basis der IR-Arbeit zu verbreitern: IR müsse mit der CR-Abteilung und der Firmenkommunikation kooperieren.

Die traditionelle Zusammenarbeit mit dem Controlling reiche nicht, weil es extrafinanzielle Themen wie CR, Nachhaltigkeit, Markenwert und Reputation kaum registriere. Möglichkeiten, sie zu erfassen, gehörten nicht zur Ausbildung von Controllern. „Nachhaltigkeitsmanagement, Kommunikation und Investor Relations sollten die Equity Story einer Aktiengesellschaft neu schreiben und Analysten und Anlegern in Präsentationen zeigen, dass und wie verantwortliches Handeln den Unternehmenswert steigert“, sagt Klein. Gemeinsam könnten sie dem Finanzmarkt die strategische Funktion gesellschaftlicher Unternehmensverantwortung für den Firmenerfolg der Zukunft darlegen - nur der interessiert ja die Aktionäre.

Aktiengeschichte neu schreiben
Auch diejenigen Firmen sollten umdenken, die zwei getrennte Kapitalmarktstories haben, eine für alle Institutionellen und eine speziell nachhaltige für SRI-Investoren. Sofern die Firmenstrategie nachhaltig ausgerichtet sei, sei es ratsam, zentrale Nachhaltigkeitsthemen in die allgemeine Story zu integrieren, weil Investoren das wünschten, heißt es in deutschen Konzernen. Eine einzige zu erstellen sei kaum sinnvoll, weil SRI-Anleger viel mehr und detaillierte Informationen verlangten. Einige Firmen haben auf ihrer IR-Webseite einen Nachhaltigkeits-Bereich.

Noch müssen selbst bei Vorreitern die meisten IR-Mitarbeiter in Unternehmen vom Nutzen des Themas für den Firmenerfolg überzeugt werden, ebenso wie die meisten Aktionäre. CR- und Kommunikationsmanager empfinden IR-Abteilungen häufig mehr als Hürde denn als Hilfe, wie zu hören ist. Anfragen großer Investoren oder internationaler Investorengruppen zu Klimaschutz, Ressourceneffizienz oder Mitarbeiterförderung rüttelten einige IR-Stäbe jedoch wach. Darum haben heute die meisten der Dax-30-Unternehmen IR-Mitarbeiter speziell für SRI-/ESG-Themen. Andere IR-Abteilungen kooperieren mit CSR-Abteilungen, bei kleineren Firmen befassen sich IR-Leiter damit.

Dax-30-Manager können sich vorstellen, dass ESG-Analysen bald zur vollständigen Firmenbewertung dazugehören. Von Großkonzernen halten 54 Prozent Nachhaltigkeit für so wichtig, dass sie sie in direkter Vorstandsverantwortlichkeit angesiedelt haben, ergab im Januar 2010 eine Studie der Union-Investment.

Investor Relations von solchen M-Dax, S-Dax & Co, für die der Themenkomplex noch relativ neu ist, könnten zunächst mit dem CSR-Team sprechen, um ihn zu verstehen. IR-Teams ohne SRI-Kompetenz könnten mit CSR- und PR-Kollegen kooperieren. So gehen einige Unternehmen vor.

Anteilseigner aktiv ansprechen und Leistungen belegen
Schließlich ist ein aktives Ansprechen der Aktionäre sinnvoll, insbesondere wenn sie öko-soziale Leistungen nicht honorieren. Dies kommt selbst bei Konzernen vor, die seit Jahren in führenden Nachhaltigkeitsindizes geführt werden. Einige bemühen sich darum, den Effekt von Nachhaltigkeitsprogrammen auf Markenwachstum oder Margenverbesserung zu ermitteln und besser zu verdeutlichen.

Eine Studie der UN Principles for Responsible Investment (PRI) hat unterdessen Wechselwirkungen zwischen ESG-Kriterien (Umwelt, Soziales, gute Unternehmensführung) und dem Kreditrisiko von Unternehmen festgestellt. Die PRI Corporate Fixed Income Working Group hat zahlreiche Forschungsergebnisse dahingehend analysiert, welcher Zusammenhang zwischen ESG-Kriterien und Anleiherenditen, Finanzratings und der Anlageperformance besteht. Das Ergebnis ist auch ein Argument für IR, sich diesem Aspekt hinsichtlich ihres eigenen Unternehmens zu widmen und gegenüber Investoren darzustellen.

Auf folgende Fragen sollten sich IR-Manager einstellen – und Antworten parat haben:
  1. Welchen öko-sozialen Reputations-, Markt-, Compliancerisiken ist Ihr Unternehmen ausgesetzt? Welche Maßnahmen ergreift es, um sie zu verringern?
  2. Ist nachhaltiges Wirtschaften strategisches Firmenziel oder PR? Gibt es ein CSR-Management mit Entscheidungsbefugnis, können Sie sich gegenseitig unterstützen?
  3. Welche ESG-Leistungsindikatoren sind für Ihr Unternehmen/ Ihre Branche langfristig wichtig? Welche für Investoren relevanten Kennzahlen können Sie bieten?
Experten raten zu langfristigem Denken und transparenten Informationen:
  1. Sprechen Sie offen über die Grenzen dessen, was Ihr Unternehmen – aktuell – hinsichtlich CSR / ESG leisten kann.
  2. Geben Sie institutionellen Investoren sowie Privatanlegern entscheidende Informationen zu mittel- bis langfristig messbaren ESG-Zielen und Programmen sowie Leistungsdaten.
  3. Verdeutlichen Sie deren Relevanz für die langfristige Umsatz-, Gewinn- und Geschäftsentwicklung sowie Zulieferer-, Mitarbeiter- und Kundenbindung.
Dokumente
Interne Links
Externe Links
Deutscher Investor Relations Verband (D.I.R.K.)
Deutsche Vereinigung für Finanzanalyse und Asset Management (DVFA)
Beratungsagentur Akzente
Union-Investment
Global Investor Relations Network (GIRN)

Schlagworte

Investor Relations, Investoren

Letzte Aktualisierung

30.09.2015 09:36

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