Extremfälle haben globale Bedeutung

Die Folgen nicht-nachhaltigen Handelns hat die Finanzkrise von 2007/2008 mit der darauf folgenden Wirtschaftskrise 2008/2009 verdeutlicht. Investmentbanken hatten Geschäfte mit Immobilienkrediten und anderen Kreditarten getätigt. Dadurch trugen sie zu einem spekulativ aufgeblähten Wirtschaftswachstums in den USA bei sowie zu einer weltweiten kreditfinanzierten Massenspekulation. Diese Blase platzte, weil die Kredite nicht bedient werden konnten und hinter ihnen keine Realwerte standen. Infolgedessen gingen mehr als 100 Banken in Konkurs. Ein vorläufiger Höhepunkt war im September 2008 die Insolvenz von Lehman Brothers, der einst viertgrößten US-Investmentbank. Es folgten zahllose Unternehmenszusammenbrüche in der Realwirtschaft und eine weltweite Rezession. Aus diesem Grund gab es zahlreiche Vorschläge für nachhaltigere Finanzmärkte, von denen bisher laut Fachleuten erst wenig umgesetzt sind. Die Diskussionen dazu und inwieweit undurchsichtige Finanzgeschäfte zulässig sind, sind auch sechs Jahre nach Ausbruch der Finanzkrise noch nicht beendet.

Die Idee derer, die die tiefen Ursachen der Finanz-, der nachfolgenden Staatsschuldenkrise oder unternehmerischen Krisen angehen wollten lautet: Die zahlreichen Risiken nicht-nachhaltigen Handelns lassen sich durch weitsichtige Strategien, Produkte und Prozess sowie das Verhindern komplizierter, undurchsichtiger (Finanz-)Konstruktionen senken. Die Vermeidung solcher Risiken gelinge auf unternehmerischer Ebene jedoch nur, wenn das Kerngeschäft strategisch verantwortlich betrieben werde, betonen Experten. Andernfalls geraten Unternehmen in eine Glaubwürdigkeitsfalle (siehe andere Beiträge in diesem Kapitel).

Auch die beiden folgenden Umwelt-Extremfälle haben international ein Umdenken bewirkt. : die Ölkatastrophe im Golf von Mexiko nach dem Untergang der Tiefsee-Ölplattform „Deepwater Horizon“ von Ölmulti BP im April 2010 sowie der Super-GAU des japanischen Atomkraftwerks (AKW) Fukushima von Tepco im März 2011. Alle politischen, gesellschaftlichen, wirtschaftlichen Gruppen und Finanzmarktakteure diskutieren, ob und inwieweit Hochrisikotechnologien zukunftsfähig sind. Der Ausgang der Diskussionen ist noch unklar.

Die zahlreichen Risiken nicht-nachhaltigen Handelns lassen sich durch weitsichtige Strategien senken. Jedoch nur, wenn das Kerngeschäft verantwortlich betrieben werde, betonen Experten, sonst schmelze die Glaubwürdigkeit wie Eis unter der Sonne. Wie bei British Petroleum (BP): Es reiche nicht, sich publikumswirksam mit neuem Sonnen-Logo und Slogan („Beyond Petroleum“) symbolisch auf die Zukunft auszurichten, aber trotz Rekordgewinnen im Kerngeschäft Anlagen verrotten zu lassen, kritisieren Fachleute. Das führte in den letzten Jahren nicht nur zu Todesfällen durch Fabrikexplosionen in Texas und Zerstörungen von Ökosystem in Alaska durch Lecks in einer Ölpipeline.
Insbesondere war diese Politik Mitursache für die Explosion und den Untergang der Tiefsee-Ölplattform „Deepwater Horizon“ am 20.4.2010: Dies verursachte die größte Umweltkatastrophe in der Geschichte der USA sowie die wohl größte Ölkatastrophe in einem Ozean, 4,9 Millionen Barrel (je 159 Liter) Öl liefen ins Meer. Die Kosten für den Konzern sind immens. Die Gesamtkosten inklusive umfangreicher Säuberungsaktionen auf dem Meer und an den Küsten belaufen sich voraussichtlich, so schätzt BP, auf 42 Milliarden Dollar (32,6 Mrd. Euro im Mai 2013). Doch sie stehen immer noch nicht abschließend fest. Der Konzern musste große Teile seines Geschäfts verkaufen, um sie stemmen zu können. Der Image-Schaden ist dauerhaft – der Börsenwert schrumpfte zwischenzeitlich um die Hälfte und liegt mit rund 141 Mrd. Dollar (106 Mrd. Euro, Mitte August 2013) fast 80 Mrd. Dollar unter dem Wert vom Frühjahr 2010.

Allein die Entschädigungszahlungen für Restaurant- und Hotelbesitzer, Fischer und Krabbenzüchter musste BP 2013 von 7,8 auf 9,9 Mrd. Dollar aufstocken. Beobachter erwarten, dass die Gesamtzahlungen noch höher auszufallen drohen und künftige Gewinne schmälern dürften. Der Konzern wehrt sich bislang vergeblich vor Gericht gegen seiner Ansicht nach zu üppige Auszahlungen.
Zudem klagen seit Februar 2013 vor einem Gericht in New Orleans die US-Regierung und fünf Bundesstaaten gegen den Mineralölkonzern BP. Sie werfen ihm grobe Fahrlässigkeit vor, Profit sei ihm wichtiger als Sicherheit gewesen. Der Staat verlang aufgrund von Verstößen gegen das Gesetz zur Wasserreinhaltung („Clean Water Act“) und andere Vorschriften bis zu 21 Mrd. US-Dollar (15,94 Mrd. Euro), so das Handelsblatt. Hinter den Kulissen verhandelten beide Seiten weiter an einer ebenfalls milliardenschweren außergerichtlichen Einigung.
Überdies haben US-Behörden BP wegen der folgenschweren Explosion der Ölplattform „Deepwater Horizon“ von der Auftragsvergabe ausgeschlossen. Dagegen hat der Ölkonzern verklagt. Das habe ein BP-Sprecher bestätigt, so die Nachrichtenagentur dpa Mitte August 2013.

Eklatant ist auch das Beispiel der Tokyo Electric Power Company (Tepco), die den Super-GAU ihres am 11. März 2011 von einem Tsunami und einem Erdbeben beschädigten Atomkraftwerk (AKW) Fukushima mitzuverantworten hat – die Kühlsysteme der Anlage hatten versagt. Infolge mangelnder Sicherheitsvorkehrungen und eines laut Experten schlechten Krisenmanagement hat der Konzern den Austritt hoher Radioaktivität zu verantworten. Tepco hatte über 20 Jahre lang Sicherheitsprobleme seiner Reaktoren vor japanischen Behörden verschleiert und Berichte gefälscht. Darum musste der Konzern 2003 alle 17 japanischen AKW für Inspektionen und Reparaturen abschalten. Gleichwohl änderte er offensichtlich nichts in seinem Kerngeschäft: Trotz mehrerer Störfälle in AKWs unterließ Tepco in Fukushima regelmäßige Kontrollen, wie der Konzern zwei Wochen vor dem großen Erdbeben und dem Tsunami Mitte März 2011 der japanischen Atomaufsicht einräumte.

Infolge der dramatischen Ereignisse und einer untransparenten Informationspolitik hat Tepco binnen weniger Tage an der Börse rund 27 Milliarden US-Dollar an Wert verloren. Gleichwohl bekam der Konzern die Probleme nicht in den Griff: Im August 2013 gab die japanische Regierung bekannt, dass seit zwei Jahren ständig radioaktiv verseuchtes Wasser aus dem Fukushima-Reaktor ins Meer fließt. Tepco, das das lange dementiert hatte, räumte dies danach ein. Die Regierung will laut einem Bericht der Nachrichtenagentur Reuters selbst Maßnahmen ergreifen, doch noch ist unklar ob das gelinge. Schätzungen zufolge, so Reuters, werden die Sanierungsarbeiten für das Kraftwerk rund 40 Jahre dauern und umgerechnet mindestens acht Mrd. Euro kosten.

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