Aussagekraft, Funktion, Nutzwert von Indizes für Anleger und Unternehmen
Kursindizes gelten als ein Konjunkturbarometer, entweder für die komplette Wirtschaft oder für eine Branche beziehungsweise ein Segment, beispielsweise Technikwerte. Indizes sind insofern eine Orientierungsmaßstab für Anleger. Mit Indizes allein können Investoren aber wenig anfangen. Es bedarf Produkte, die Anleger für ihre Depots erwerben und mit denen sie Portfolios aufbauen oder diversifizieren können. Damit Anleger also konkret von Indizes profitieren können, werden auf Indizes börsengehandelte Indexfonds, sogenannte Exchange-traded Funds (ETFs), aufgelegt, die die Zusammensetzung und die Kursentwicklung eines Index nachbilden und meist passiv verwaltet werden. Zu vielen, vor allem neuen Indizes gibt es aber keine oder erst wenige Produkte. Sie werden erst nach und nach aufgelegt. Indexfonds haben jedoch nicht immer dieselbe Wertentwicklung wie die Indizes, die ihnen zugrunde liegen. Ursache kann etwa eine phasenweise abweichende regionale Zusammensetzung sein oder ein Vermeiden riskanter Titel, die beim Benchmark zu einer bestimmten Zeit jedoch für einen starken Kursanstieg oder –verlust sorgen. Außerdem entstehen bei einem Indexfonds Kosten für den Kauf und für die Verwaltung.Aussagekraft:
Bei Nachhaltigkeitsindizes ist zu unterscheiden zwischen Indizes, die umfassende, breit angelegte Kriterien bei der Titelauswahl berücksichtigen, und solchen Indizes, die Unternehmen bestimmter Branchen und/oder ausgewählte Themen erfassen, sich also zum Beispiel auf erneuerbare Energien fokussieren. Themenindizes haben oft keine sozialen Kriterien und/oder nur eingeschränkte ökologische Mindestkriterien. Das hat zur Folge, dass auch Unternehmen notiert sein können, die Arbeitsstandards vernachlässigen oder die nicht nur in Erneuerbare Energien investieren, sondern auch in Atomkraft.
Die Aussagekraft von Indizes hängt von deren Konzeption ab. So sollten Anleger für sich klären, ob sie Modelle akzeptieren, bei denen bestimmte Verstöße durch gute andere Leistungen kompensierbar sind. Oder ob sie solche Modelle bevorzugen, bei denen die massive Verletzung einzelner Kriterien zum Ausschluss führt. Letztere schränken den Anlagehorizont stärker ein. Erstere können ggf. einen größeren Hebel bieten, um heikle Unternehmen zu beeinflussen, statt sie auszuschließen. Dies funktioniert beispielsweise dann, wenn sich Unternehmen mit umstrittenen Geschäftsaktivitäten oder Geschäftsgebaren dem Nachhaltigkeitswettbewerb stellen und sich um bessere Leistungen bemühen, um in einem bestimmten Index notiert zu sein. Dies kann einen Nutzwert für Unternehmen haben.
Ein Wettbewerbsansatz hat die Indexfamilie um den Dow Jones Sustainability Index (DJSI). Fehlende Negativkriterien sind ein wesentlicher Unterschied zwischen dem DJSI gegenüber beispielsweise dem Domini 400 Social Index sowie dem britischen FTSE4Good, der weltweit zweitwichtigsten Indexfamilie. Der Index ASPI Eurozone (Advanced Sustainability Performance Eurozone Index) des französischen Anbieters Vigeo, der die 120 besten Unternehmen des Euro Stoxx Index auswählt, hat hingegen keine absoluten Ausschlusskriterien.
Indizes unterscheiden sich auch stark hinsichtlich der Größe der vertretenen Unternehmen. Manche sondieren nur die nachhaltigsten der Großkonzerne, während höhere Nachhaltigkeitsleistungen mittlerer oder kleiner Unternehmen (KMU) nicht zum Maßstab gemacht werden. Wer sich aber an den höchsten Leistungen auch von KMU orientieren will, kan zum Beispiel den Naturaktienindex (NAI) heranziehen oder den Umweltbank-Aktienindex (UBAI) für deutsche Unternehmen. Seit 2004 gibt es überdies den in Amsterdam notierten Kempen/SNS Smallcap SRI Europe (KEMSRI), der erste Ökoindex für kleine und mittlere europäische Firmen.
Nutzwert für Unternehmen:
Für Unternehmen ist eine Notierung in Nachhaltigkeitsindizes oft eine Art Gütesiegel, die sie für Anleger interessant macht, die auf ökologisch, soziale oder ethische Aspekte des Wirtschaftens Wert legen. Viele Unternehmen bemühen sich darum, ihre entsprechenden Leistungen zu steigern, um in namhaften Nachhaltigkeitsindizes notiert zu sein. Dies verschafft ihnen teilweise neue, insbesondere aber treue, weil langfristig orientierte Anleger. Ein großer Anteil davon kann den Aktienkurs stabilisieren, denn sie lassen sich nicht von der erstbesten Flaute abschrecken.
Das zeigte die Finanzkrise, eine Folge unverantwortlichen Wirtschaftens. Während 2008 Investoren in Europa sechs Prozent oder 300 Mrd. Euro aus konventionellen Fonds abzogen, standen nachhaltige Investoren zu ihren Anlagen. Viel mehr noch: Anleger steckten rund 5,6 Prozent neue Mittel in sozial und ökologisch orientierte Fonds, berechnete damals die belgisch-französische Bank Dexia. Diese Entwicklung setzt sich seit 2009 fort: Anleger wechseln zu Nachhaltigkeitsbanken oder solchen Instituten, deren Vermögensverwaltung hier einen Schwerpunkt hat.
Allerdings ist der Gesamtanteil nachhaltiger Anlagen am Kapitalmarkt und an einzelnen Unternehmen noch zu gering, als er eine stabilisierende Wirkung auf die Aktienkurse hätte. Gleichwohl legen Unternehmen zunehmend auf solche langfristig agierenden Investoren wert.
Nutzwert für Anleger
Indizes geben eine Orientierung, welche Unternehmen gute Leistungen hinsichtlich Umweltschutz, sozialer Fairness, Einhaltung der Menschenrechte und guter Unternehmensführung erbringen. Das dahinter stehende Nachhaltigkeitsresearch ist jedoch keine hundertprozentige Garantie gegen Großunfälle und menschliches oder politisches Versagen. Auch nachhaltige Anlageprodukte unterliegen Fehleinschätzungen.
Aber: Gründliches ESG-Research kann Risiken senken, weswegen viele Nachhaltigkeitsindizes oft riskante Titel vermeiden, wie etwa die Investmentbank Lehman Brothers, deren Konkurs 2008 die Finanzmärkte in die Tiefe riss. Sie mieden auch Ölkonzerne wie BP, der 2010 zeitweise die Hälfte seines Börsenwerts verlor, weil er Mitverursacher der Ölkatastrophe im Golf von Mexiko war. Nachhaltigkeitsprodukte waren in der Regel auch nicht in den japanischen Atomkonzern Tepco investiert, der den Super-GAU von 2011 in Fukushima zu verantworten hat.
ESG-Research könne vorab beurteilen, wie gut Unternehmen auf potenzielle Desaster vorbereitet seien, heißt es bei der Risiko-Research-Agentur Risk Metrics. Weder BP war es gewesen, noch konventionelle Analysten und Investoren, die vielfach in den Ölkonzern investiert gewesen waren. Aber auch einige wenige nachhaltige Anbieter, die in BP investiert waren, mussten ihre Einschätzungen korrigieren.
Anbieter von Produkten wie Indexfonds stehen vor der Herausforderung, Anlegern potenzielle Risiken noch stärker bewusst zu machen. Und Investoren müssen für sich klären, zu welchen Risiken sie bereit sind und anschließend das von ihnen favorisierte Nachhaltigkeitsmodell wählen.
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ASPI Eurozone (Advanced Sustainability Performance Eurozone Index)