Aachener Stiftung Kathy Beys

Bioenergiedörfer

Was sind Bioenergiedörfer?

Ein Bioenergiedorf ist eine Siedlung, deren Bedarf an Strom und Wärme zu mindestens 50% aus regional erzeugter Bioenergie gedeckt wird. Die Bürger des Bioenergiedorfes werden in die Entscheidungsprozesse mit eingebunden und tragen die Idee dadurch aktiv mit. Gewonnen wird die Energie durch entsprechende Bioenergieanlagen, die sich teilweise im Eigentum der Wärmekunden oder der Landwirte vor Ort befinden. Die von den Energieanlagen genutzte Biomasse stammt aus der unmittelbaren Umgebung. Damit eine möglichst große Energieeffizienz gewährleistet ist, werden die Anlagen in regelmäßigen Abständen geprüft und auf den technisch neuesten Stand gebracht. Um weitere Energieeinsparungen zu treffen, werden zudem neueste Technologien weitestgehend umgesetzt. Darüber hinaus kann die Erzeugung von Wärme und Strom aus Biomasse kann durch andere erneuerbare Energien ergänzt werden.

Insgesamt 103 Gemeinden ist es in den vergangenen Jahren gelungen, ihre Energieversorgung auf erneuerbare bzw. Bioenergie umzustellen. Neben dem Schutz der Natur konnte zudem die örtliche Wirtschaft gestärkt werden. In manchen Fällen ist die Gewinnung von Strom und Wärme sogar so erfolgreich, dass die Dörfer mit besonders hoher Produktivität zu Energieexporteuren wurden.

Als erstes Bioenergiedorf gilt das niedersächsische Jühnde. Dieses begann im Jahre 2005 mit Unterstützung des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) die Transformation zum Bioenergiedorf. Die Gewinnung von Strom und Wärme erfolgt typischerweise auf der Basis von Biomasse. Insgesamt kann Jühnde pro Jahr fast doppelt so viel Energie produzieren, wie es verbraucht. Gewonnen wird die regenerative Energie durch eine Energieanlage, die aus einer Biogasanlage und einem Biomasee-Heizwerk besteht. Über ein Nahwärmenetz gelangt die Energie dann zu den Haushalten. Das Besondere daran ist, dass ca. 70% der Häuser an dieses umweltschonende Netz angeschlossen sind. Jühnde galt zu Anfangszeiten als Pilotprojekt, bei dem die Landwirte bzw. die Gemeinde und die Verbraucher ihre Energieversorgung selbst in die Hand nahmen. Heute folgen viele Dörfer dem Beispiel Jühndens.

Um den Grundgedanken der Bioenergiedörfer weiter zu verbreiten, wurde vom Institut für angewandtes Stoffstrommanagement (IfaS) ein vom BMEL geförderter Leitfaden erstellt. Dieser zeigt praxisnahe Umsetzungsmöglichkeiten und stellt die Vielfalt der mittlerweile existierenden und funktionierenden Konzepte dar. Auch werden praxisbezogene Beispiele erläutert. Darüber werden technische Optionen, Finanzierung und Teilhabe sowie Geschäftsmodelle für ein Bioenergiedorf erklärt.
Der Leitfaden Bioenergiedörfer steht kostenlos in der Mediathek der FNR zum Download zur Verfügung.


Liste der 103 deutschen Bioenergiedörfer


Auszeichnung als Bioenergiedorf im Rahmen eines Wettbewerbes

Bioenergiedörfer dienen nicht nur zum Schutze der Umwelt sonder tragen auch in besonderer Form zur Umsetzung der Energiewende bei. Um den Eigenbedarf an Energie zu decken, nutzen die Bioenergiedörfer Energie aus regional gewonnener Biomasse und sorgen so für mehr Innovation und Wachstum im ländlichen Raum. Bürgerinnen und Bürger profitieren zudem durch Biogas- und Holzhackschnitzelanlagen von einer kostengünstigen Wärme. Bis zum 15. Juni 2014 konnten sich Deutschlands Gemeinden für den „Bundeswettbewerb Bioenergiedörfer 2014“ bewerben.
Bereits in den Jahren 2010 und 2012 hat das Bundeslandwirtschaftsministerium sechs Bioenergiedörfer für ihre nachhaltige Energiegewinnung ausgezeichnet. Die Gewinner aus dem Jahre 2010 sind die Bioenergiedörfer:

  • Effelter (Bayern)
  • Feldheim (Brandenburg)
  • Jühnde-Barlissen
Die Gewinner aus dem Jahre 2012 hingegen sind:

  • Schlöben (Thüringen)
  • Oberrosphe (Hessen)
  • Großbardorf (Bayern)
Im Jahre 2014 soll an die Erfolge des Wettbewerbs und der Bioenergiedörfer angeknüpft werden.


Wege zu einem Bioenergiedorf

Entscheidet sich eine Kommune den Weg eines Bioenergiedorfes zu gehen, ist es besonders wichtig, dass sowohl die Bewohner, die Land- und Forstwirte wie auch die kommunalen Vertreter von der Idee überzeugt sind. Denn die größten Hindernisse ergeben sich meistens nicht aufgrund der technischen Umsetzbarkeit oder der Verfügbarkeit von Biomasse, sondern vielmehr aufgrund von falschen oder mangelnden Information. Letztendlich sind des die Dorfbewohner, die als Wärmeverbraucher bzw. als Anlagenbetreiber von dem Projekt überzeugt sein müssen.
Besonders gefördert wird die Idee der Bioenergiedörfer durch das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL). Dieses möchte mit seinem Internetauftritt erste Fragen zur eigenen Bioenergiedorfentwicklung beantworten.

Darüber hinaus gibt es eine Vielzahl an Broschüren und Tipps der Fachagentur nachwachsende Rohstoffe e. V. (FNR):

Voraussetzung für ein Bioenergiedorf

"1. Die wichtigste Ressource eines Bioenergiedorfes ist die Biomasse! Ohne Biomasse kann kein Bioenergiedorf-Projekt realisiert werden. Aus diesem Grund sollte zunächst entsprechend in ersten Vorgesprächen geklärt werden, ob bei den Landwirten überhaupt eine Bereitschaft besteht, Wirtschaftsdünger (Gülle, evtl. Stallmist) sowie Acker- und Grünflächen für den Energiepflanzenbau bereitzustellen. Sollte dies nicht der Fall sein, z.B. weil die Flächen anders vertraglich gebunden sind, kann evtl. noch bei benachbarten Landwirten nachgefragt werden. Die Entfernung möglicher Flächen zum Ort sollte aber aufgrund zunehmender Transportkosten möglichst gering gehalten werden. Für das Gelingen des Gemeinschaftsprojektes sind zudem mindestens 50 ha Ackerland (besser 100 ha und mehr) notwendig. Insbesondere Strom lässt sich bei sehr kleinen Biogasanlagen nur schwer wirtschaftlich erzeugen.
In kleineren Orten könnte die Variante der Stromproduktion über ein Pflanzenöl-BHKW (anstelle der Biogasanlage) überprüft werden. Für den wirtschaftlichen Betrieb dieser Anlagen sind gute Projektkonstellationen (Einkaufspreise für das Pflanzenöl, kontinuierliche Wärmeabnahme,etc.) erforderlich.

2. Wenn das Dorf komplett in einer
Wasserschutzzone 1
liegt, ist der Bau von Anlagen zur Nutzung von Biomasse für Wärme- und Stromproduktion genehmigungsrechtlich nicht möglich. Der Bau von Energieanlagen in
Wasserschutzgebietszone 2
ist mit erheblichen finanziellen Mehraufwendungen (z.B. Doppelwandigkeit der Behälter und Rohrleitungen) zur Sicherung der Grundwassergüte verbunden.

3. Ein starkes Hemmnis für die Verlegung eines Nahwärmenetzes kann ein relativ neues Erdgasnetz im Ort sein. Wenn innerhalb der letzten Jahre viele Häuser im Ort an dieses Netz angeschlossen wurden, wird die Bereitschaft der Hauseigentümer vermutlich nicht allzu groß sein, sich an ein anderes Versorgungssystem anzuschließen. Das Fehlen eines Erdgasnetzes ist zwar keine wirkliche Voraussetzung für die Verwirklichung eines Bioenergiedorfes, es erleichtert aber die Einbindung der Einwohner und den Umstellungsprozess. Wenn genügt Biomasse angeboten wird und es mit dem Grundwasserschutz und einem Erdgasnetz keine Probleme gibt, sollte man sich klar machen, ob man das „maximale“ Ziel, die Energieversorgung des ganzen Dorfes umzustellen, anstrebt oder ob man sich bewusst ein anderes Ziel setzt wie z. B. die Versorgung von Teilgebieten des Ortes."

(Quelle: Wege zum Bioenergiedorf-Leitfaden, Seite 24 und Anhang 1


Biomasse als Energieträger

"Biomasse ist der biologisch abbaubare Teil von Erzeugnissen, Abfällen und Reststoffen der Landwirtschaft mit biologischem Ursprung (einschließlich tierischer und pflanzlicher Stoffe), der Forstwirtschaft und damit verbundener Wirtschaftszweige einschließlich der Fischerei und der Aquakultur. Auch der biologisch abbaubare Teil von Abfällen aus Industrie und Haushalten zählt nach dieser Definition zur Biomasse. Nach dieser Definition besteht Biomasse unter anderem aus Pflanzen und Pflanzenbestandteilen sowie den daraus hergestellten Energieträgern, aus Abfällen und Nebenprodukte pflanzlicher und tierischer Herkunft und den jeweils nachgelagerten Verarbeitungsbetrieben, Restholz aus Betrieben der Holzbe- und -verarbeitung und der Holzwerkstoffindustrie, Landschaftspflegegut und Treibsel aus Gewässerpflege, Uferpflege und -reinhaltung, Altholz bzw. Gebrauchtholz und Bioabfälle.
Nicht als Biomasse gelten hingegen biogene fossile Brennstoffe wie Erdöl, Kohle, Erdgas und Torf, da diese sich nicht in überschaubaren Zeiträumen regenerieren und damit nicht die Kriterien der Erneuerbarkeit erfüllen." (Quelle: FNR)

Damit aus Biomasse Energie gewonnen werden kann, beschreitet diese sogenannte Konversionspfade. Dazu zählen: Verkohlung, Vergasung, Pressung/Extraktion gegebenenfalls mit anschließender Umesterung, alkoholische Gärung, anaerober Abbau, aerober Abbau.
Abgesehen vom Kompost werden die Produkte der aufgeführten Konversionswege durch anschließende Verbrennung in nutzbare Energie umgewandelt. Viele dieser Möglichkeiten, aus Biomasse Energie zu gewinnen, sind heute bereits am Markt verfügbar. Am häufigsten kommen in der deutschen Landwirtschaft, der Industrie und den Privathaushalten Anlagen zur Holzverbrennung sowie Biogasanlagen zum Einsatz.

Da bei der Verbrennung von Biomasse nur die Menge des Treibhausgases CO2 freigesetzt wird, die die Pflanzen zuvor im Wachstum gebunden haben, trägt die Verwendung von Biomasse zur Energieerzeugung zum Klimaschutz bei. In einem der Umwandlung nachgeschalteten Wachstumszyklus bauen neue Pflanzen dieses CO2 wieder in ihre Biomasse ein. Somit ist die CO2-Bilanz bei der Verbrennung von Pflanzen oder den aus ihnen gewonnenen Energieträgern weitgehend ausgeglichen. Allerdings muss bei der Umwandlung von Biomasse in Energie der Energieaufwand für Anbau, Ernte, Umwandlung und Transport der Pflanzen hinzugerechnet werden.

Die jährliche Produktion von Biomasse übersteigt den Bedarf der Menschheit an Energie um das Fünf- bis Sechsfache. Aus diesem Grund werden große Hoffnungen in diese Form der Energiegewinnung gesetzt. Natürlich kann nur ein Teil der aufwachsenden Biomasse aus ökologischen, technischen und wirtschaftlichen Gründen tatsächlich genutzt werden. Dennoch ist das Potenzial dieser erneuerbaren Energie sehr groß.
Auch in Zukunft soll Biomasse in Deutschland maßgeblich an der Deckung des Energiebedarfes beteiligt sein. Zusätzlich besteht die Möglichkeit bei bedarf noch mehr Biomasse aus Nachbarländern zu importieren. Die Abhängigkeit von den
Lieferanten ist dabei weniger gravierend als bei fossilen Ressourcen, da zum einen eine größere Auswahl an Lieferländern besteht und zum anderen Biomasse in ausreichenden Mengen vorliegt und somit im Preis stabil bleiben dürfte.

Natürlich gibt es bei der Biomassenutzung auch Nachteile. So bestehen beispielsweise keine unbegrenzten Erweiterungsmöglichkeiten. Zwar ist Biomasse ein nachwachsender Rohstoff allerdings ist produzierbare Menge an Biomasse begrenzt, da keine unbegrenzten Anbauflächen zur Verfügung stehen. Besonders in Ländern wie Deutschland, in denen relativ wenig Flächen zur Verfügung stehen, ist der Ausbau der Nutzung von Biomasse also nur bis zu einem bestimmten Grenzwert möglich, sofern der Rohstoff im eigenen Land erzeugt werden soll. Hinzu kommt, dass die benötigten Anbauflächen nicht die Flächen für Nahrungspflanzen etc. ersetzen dürfe, da dies besonders in Entwicklungsländern schwerwiegende Probleme hervorrufen kann.
Ein weiterer Nachteil ist die negative CO2-Bilanz im Vergleich mit anderen regenerativen Energieträgern. Im Vergleich zu fossilen Energieträgern, wie Erdöl oder Kohle, weist Biomasse zwar eine bessere CO2-Bilanz auf, vergleicht man Biomasse als Energieträger jedoch mit anderen regenerativen Energieformen, wie Sonnen- oder Windenergie, schneidet sie hinsichtlich der CO2-Bilanz erheblich schlechter ab, da über die erforderlichen Verbrennungsprozesse immer noch Kohlendioxid-Emissionen entstehen.


Dokumente

Interne Links

Externe Links

Schlagworte

Bevölkerung, Bio, Biomasse, Biotechnologie, Effizienz, Energie, Erneuerbare Energien, Klimaschutz

Letzte Aktualisierung

26.08.2015 14:19

Diesen Artikel: