Bossel: Globale Wende, 1998
EinleitungIn seinem Buch "Globale Wende. Wege zu einem gesellschaftlichen und ökologischen Strukturwandel" entwirft Hartmut Bossel ein Bild der möglichen Entwicklung der menschlichen Gesellschaft in Abhängigkeit von den Gesetzen und Grenzen ihrer natürlichen Umwelt. Er stellt zwei Zukunftsfragen im Detail gegenüber:
Weg A: die konsequente Weiterführung heutiger Entwicklungen (Konkurrenz)
Weg B: eine ernsthafte Umsetzung des Prinzips der nachhaltigen Entwicklung (Partnerschaft).
Zu Bossels Definition einer nachhaltigen Entwicklung hier.
In insgesamt sechs Kapiteln beschreibt er für beide Wege den möglichen Zukunftspfad. Die sechs Kapitel sind Infrastruktur, Wirtschaftssystem, Sozialsystem, persönliche Entwicklung, Staat und Verwaltung sowie Umwelt, Ressourcen, Zukunft.
Nach einer kurzen Darstellung des jeweiligen Teilsystems beschreibt er den Pfad A - Konkurrenz - und unterzieht ihn einer Nachhaltigkeitsprüfung. Konkret untersucht er dabei, wo Pfad A das Nachhaltigkeitsgebot bereits verletzt oder in der weiteren Entwicklung verletzen wird. Bei der Beschreibung des Pfades B orientiert er sich an der Nachhaltigkeitsprüfung für Pfad A, da für Pfad B die verschiedenen Hindernisse auf dem Weg zur Nachhaltigkeit (aus Pfad A) wirksam aus dem Weg geräumt oder umgangen werden müssen. Bei der Realisierbarkeitsprüfung für Pfad B wird geprüft, ob die für diesen Pfad angenommenen Veränderungen möglich, durchführbar und erreichbar sind.
Im letzten Teil des Buches vergleicht der Autor die Weltbilder und Prinzipien der beiden Pfade. Daraus leitet er einen "Leitfaden zur Nachhaltigkeit" ab, der wichtige Schlussfolgerungen und Ergebnisse zusammenfasst und der als Wegweiser für zukünftige nachhaltige Entwicklung dienen kann, so der Autor. Der Leitfaden behandelt die Schwerpunkte:
- integrierte Problemsicht
- Prinzipien und Eigenschaften physischer Systeme
- Prinzipien und Eigenschaften der Entwicklung von Ökosystemen
- Prinzipien und Eigenschaften der Entwicklung von Humansystemen
- Prinzipien für eine nachhaltige Gesellschaft
- notwendige Schritte für den Wechsel zur Nachhaltigkeit
- allgemeine Schlussfolgerungen.
- Bereitstellung von Indikatorensystemen
- Entwicklung effizienter Technologien
- Bildung und Informationen
- Regionalisierung ökonomischer Aktivitäten
- Bevölkerungskontrolle
- gerechte Verteilung der Arbeit
- Institutionalisierung der Rechte betroffener Systeme
- Stärkung der partizipativen Demokratie.
"Die gegenwärtige Entwicklung des globalen Humansystems ist nicht nachhaltig in mehrfacher Hinsicht: physisch, materiell, ökologisch, gesellschaftlich. Die Nicht - Nachhaltigkeit beruht teils auf Prozessen in den Humansystemen selbst (Bevölkerung, Wirtschaft, Technologien usw.), teils auf Zerstörung und Veränderung der natürlichen Umwelt, von der alle Humansysteme abhängen. Nachhaltige Entwicklung ist möglich, aber sie erfordert ein Verlassen des gegenwärtigen Pfades. Viele nachhaltige Zukünfte sind möglich, und viele Pfade können beschritten werden, um sie zu erreichen.
Die Wahlmöglichkeit erfordert die Annahme eines ethischen Prinzips (Prinzip der Partnerschaft).
Gesellschaft und Umwelt können sich keine Evolution von Humansystemen auf einen nachhaltigen Pfad durch die Methode von Versuch und Irrtum leisten; bewusste strategische Entscheidungen sind erforderlich.
Strategische Entscheidungen müssen in Übereinstimmung mit allgemeinen Systemprinzipien und insbesondere Ökosystemenprinzipien getroffen werden, um langfristig erfolgreich zu sein.
Diese Prinzipien müssen ermittelt werden, um Leitorientierungen für strukturelle und strategische Änderungen entwickeln zu können.
Die Bemühungen müssen vor allem auf die Regeln der von menschlichen Entscheidungen gesteuerten Prozesse der Selbstorganisation zur Sicherung nachhaltiger Entwicklung gerichtet sein. Ein allwissender Entwurf der nachhaltigen Gesellschaft ist nicht möglich. Die Aufgabe besteht eher darin, die zu selbstorganisierender Evolution nachhaltiger Humansysteme (...) führenden funktionalen Prinzipien zu bestimmen und anzuwenden.
- Der Wechsel zur Nachhaltigkeit hängt von wirksamer Kontrolle des Bevölkerungswachstums und der Konsumentwicklung ab. Im Blick auf die verschiedenen Zeitkonstanten dieser Prozesse muss die Verringerung des hohen Pro - Kopf - Verbrauchs in den Ländern des Nordens absolute Priorität haben. Es gibt ein gewaltiges Potenzial durch Verbesserungen der Effizienz der Ressourcen- und Energieverwendung und gesellschaftliche Akzeptanz einer Suffizienzgrenze.
- (...) Nachhaltigkeit erfordert die Annahme eines Prinzips der Partnerschaft mit anderen, heutigen und zukünftigen Systemen und Organismen des globalen Ökosystems. Nachhaltigkeit kann nicht unter einem gespaltenen ethischen Bezugsrahmen erlangt werden (so heute: mit egoistischem Konkurrenzverhalten in der Gesellschaft und Partnerschaft in der Familie).
- Im Gegensatz zu gegenwärtigen Globalisierungstrends wird es für Nachhaltigkeit zwingend notwendig sein, Vielfalt und regionale Differenzierung wieder einzuführen, um Entwicklungen an die regionale Tragfähigkeit anzupassen und lokale von globalen Märkten abzukoppeln."