Aachener Stiftung Kathy Beys

Kuba auf dem Weg zur Nachhaltigkeit (Archiv)

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Menschenrechte
Ein wichtiger Prüfstein für die nachhaltige Entwicklung eines Staates ist die Frage der Einhaltung der Menschenrechte. Lesen Sie hierzu unsere Seite
Sozioökonomisches Entwicklungsniveau (2003)
"Zentrale Sozialindikatoren zeigen ein relativ hohes Entwicklungsniveau an; grundlegende soziale Exklusion durch Armut, Bildung oder geschlechterspezifische Diskriminierungen sind bisher nicht zu verzeichnen. Einige Sozialindikatoren wie z. B. Kindersterblichkeit bei Neugeborenen, Ärztedichte, Zugang zu Trinkwasser, etc. sind nicht nur im regionalen Vergleich vorbildlich, sondern platzieren Kuba unter die Industrienationen. Allerdings erlaubt die ökonomisch prekäre Situation auf der Insel generell einen nur niedrigen Lebensstandard, der gelegentlich an Pauperisierung grenzt. Zusätzlich provoziert die „Dualisierung“ der Wirtschaft und der Währung eine zunehmende soziale Heterogenisierung: Da sich Wohlstand, Qualitätsstandards und auch soziale Anerkennung auf den Devisenbereich konzentrieren, führt ein fehlendes oder unzureichendes Einkommen von US-Dollars zu sozioökonomischer Benachteiligung.

Die beiden Hauptdeviseneinnahmequellen sind zum einen gering qualifizierte Arbeit im vorwiegend urbanen Devisensektor und zum anderen Remittenten, also Geldüberweisungen von Migranten an Angehörige auf der Insel – diese Quelle ist der ehemaligen Unterschicht der Schwarzen meist verschlossen, da ihr Emigrationsanteil weit unter 10% liegt. Dank dieser Distribution hat im Beobachtungszeitraum eine dramatische Entwertung von Berufsqualifikationen stattgefunden und wuchsen sowohl die geografischen Disparitäten zu Ungunsten ländlicher Räume als auch die Gefahr einer ethnischen Restrukturierung der Sozialstruktur. Mehr als die Hälfte der Bevölkerung muss in Kuba auf den Genuss eines regelmäßigen Devisenbesitzes verzichten. Zusammen mit einer klandestinen Umverteilung über den informellen Sektor hat sich dadurch die Einkommensschere weiter geöffnet. Staatliche Redistributions- und Sozialpolitiken, ein ausgeprägter öffentlicher Sektor sowie das Staatsmonopol auf Investitionen haben bisher allerdings verhindert, dass sich soziale Exklusion strukturell verfestigen konnte."
Welfare Regime (2003)
"Kuba verfügt über ein ausgedehntes staatliches Wohlfahrtsregime, das der gesamten Bevölkerung eine umfassende soziale Versorgung garantiert. Hierzu gehören ein kostenloses Gesundheits- und Bildungssystem, generelle Kinderbetreuung sowie eine staatliche Rentenversorgung, Arbeitslosenunterstützung, Hilfen zum Lebensunterhalt, etc. Die Gesellschaft kann – besonders im regionalen Vergleich – noch als eher homogen bezeichnet werden. Politische Muster und kulturelle Traditionen begünstigen dabei egalitäre Einstellungen.

Die offene Arbeitslosigkeit erhöht nicht zwingend das Armutsrisiko, da es zahlreiche staatliche Programme der Arbeitsbeschaffung beziehungsweise Weiterbildung gibt. Entsprechend der politischen Leitbilder ist die Chancengleichheit ebenfalls ausgeprägt; die meisten – und auch höheren – Bildungseinrichtungen sind allgemein, also auch für einkommensschwächere Gruppen zugänglich. Die berufliche, soziale und politische Integration der Frauen hat in Kuba nach zahlreichen Indikatoren Modellcharakter. Dass dieses Wohlfahrtsregime, welches den Staatshaushalt jährlich mit circa 30% belastet, auch in der Krisenphase zu Beginn der 90er Jahre nicht eingeschränkt wurde, verdeutlicht, welche zentrale Legitimationsfunktion es für das Regime hat. Die Frage der nachhaltigen Finanzierbarkeit wird aber mittelfristig auch hier Reformen erforderlich machen."
Nachhaltigkeit (2003)
"Im Kontext der sowjetsozialistisch geprägten Industrialisierung wurden auch in Kuba ökologische Folgekosten völlig ignoriert. 1993 wurde erstmals eine betriebliche Ökosteuer eingeführt, die aufgrund der krisenbedingten Deindustrialisierung aber kaum zur Anwendung kam. Zentrale Umweltprobleme sind heute die wachsenden Belastungen durch den Tourismus und die hohe Energieintensität der Industrie. Grundsätzlich sind ökologische Belange institutionell verankert und werden punktuell – besonders in internationalen Entwicklungs- oder Wirtschaftskooperationen – berücksichtigt. Dabei werden Umweltbelastungen größtenteils als rein technologisch zu lösendes Problem angesehen.

In der faktischen Wirtschaftspolitik sind Umweltkonflikte dem Wachstumsstreben allerdings weiter nachgeordnet. Informelle oder zivile Institutionen gibt es in diesem Politikfeld nur wenige; vor allem im Wissenschaftsbereich ist aber eine wachsende Sensibilisierung und Auseinandersetzung zu beobachten. Das staatliche Bildungssystem war immer ein Förderschwerpunkt der aktuellen Regierung. Es ist sowohl in der Primär- und Sekundärbildung als auch im Hochschulbereich exzellent ausgebildet und wird flächendeckend angeboten. Zur Zeit gibt es auf der Insel mehr als 60 Hochschulen.

Die Hälfte aller graduierten Fachkräfte sind in der dynamischen Forschung und Technologieentwicklung tätig – davon 50% Frauen. Die jährlichen Bildungsausgaben betrugen in den letzten Jahren circa 20% des Staatshaushaltes, die F&E- Ausgaben durchschnittlich 0,7% des BIP. Die Infrastruktur wurde im Beobachtungszeitraum mit überdurchschnittlichen Investitionen besonders im IT-Bereich weiter modernisiert und ist sehr leistungsstark. Nichtstaatliche Bildungsträger gibt es nicht."
Ökologischer Fußabdruck und Human Development Index (HDI) (2003)
Der WWF International, das Institut für Zoologie der Zoologischen Gesellschaft London und das Global Footprint Network haben in ihrem Bericht LIVING PLANET REPORT 2006 dargestellt, wie sich 147 Staaten ökologisch und im Hinblick auf die Lebensqualität entwickelt haben. Meßgrößen sind
  • der Human Development Index (HDI), mit dem die UNDP (UN-Entwicklungsprogramm) jährlich die Lebensqualität der UN-Mitgliedsstaaten einschätzt; Basis sind die Lebenserwartung, Bildung und Erziehung, bezogen auf das Bruttoinlandsprodukt; der Grenzwert für hohe Lebensqualität ("Threshold for high human development") liegt nach UNDP oberhalb von 0,8.
  • der ökologische Fußabdruck, der eine Flächenangabe ist über die umgerechneten Ressourcenverbräuche der Menschen (globaler Hektar pro Person) darstellt; die Schwelle für die weltweite mittlere Tragfähigkeit ("World average biocapacity available per person, ignoring the needs of wild species") wird mit 1,8 ha pro Person angesetzt.
In Abb. 22 des Berichts werden der Human Development Index und der ökologische Fußabdruck der Länder, jeweils für das Jahr 2003, in einem XY-Diagramm in Bezug gesetzt. Auf der X-Achse (Skala von 0 bis 1) wird der HDI, auf der Y-Achse (Skala von 0 bis 12) der Ökologische Fußabdruck aufgetragen. Zieht man jeweils eine Gerade durch die beiden genannten Schwellenwerte, bilden diese ein Kreuz, welches die Diagrammfläche in vier Quadranten unterteilt:

Exceeds biosphere’s average capacity per person, low developmentExceeds biosphere’s average capacity per person, high development
Within biosphere’s average capacity per person, low developmentMeets minimum criteria for sustainability


Nach Ansicht der Autoren erfordert eine erfolgreiche nachhaltige Entwicklung, dass die Welt mindestens diese beiden Bedingungen (HDI > 0,8 und Ökologischer Fußabdruck max. 1,8 ha pro Person) erfüllt. Dabei müssen sich die Länder aber in den Quadranten rechts unten bewegen, da die Weltbevölkerung wächst und dadurch die Tragfähigkeit pro Kopf kleiner wird und damit die Größe dieses Quadranten sinkt.

Im Jahr 2003 nahmen Asien-Pazifik und Afrika weniger als den weltweiten Pro-Kopf-Verbrauch an Tragekapazität in Anspruch, während die EU und mehr noch Nordamerika diese Grenze weit überschritten, dafür allerdings auch HDI-Werte oberhalb von 0,8 erreichten. Weder die Welt als ganzes noch eine der sieben Regionen (Nordamerika, Europa-EU, Europa Nicht-EU, Lateinamerika und Karibik, Mittlerer Osten und Zentralasien, Asien-Pazifik, Afrika) konnten beide Kriterien für nachhaltige Entwicklung erfüllen. Lediglich ein Land tat dies: Kuba (mit der Einschränkung: auf der Basis der Daten, die Kuba an die Vereinten Nationen berichtet) mit einem Ökologischen Fußabdruck von 1,5 ha/E und einem HDI von 0,82.
Der HDI berücksichtigt die Indikatoren Lebenserwartung, Bildung und Erziehung. Hier hat Kuba in der Vergangenheit sicherlich große Leistungen erbracht, vgl. die Aussagen der Bertelsmann-Stiftung oben zum Welfare Regime. Der HDI berücksichtigt aber nicht die Einhaltung der Menschenrechte. Dieses wird für Kuba durchaus kritisch gesehen, siehe unsere Seiten
Umwelt: Erneuerbare Energieträger
„Die kubanische Stromversorgung beruht vornehmlich auf thermischen Kraftwerken, die mit Erdöl, Erdgas oder Bagasse (= Biomasse) befeuert werden sowie auf kleinen Wasserkraftanlagen.“ Gleichwohl setzt Kuba schon seit längerem auch auf erneuerbare Energieträger:
"Bereits 1993 und somit auf dem Höhepunkt der kubanischen Energiekrise wurde durch den Ministerrat und die nationale Volksversammlung das Programm zur Entwicklung einheimischer Energiequellen (Programa de Desarrollo de las Fuentes Nacionales de Energía) auf den Weg gebracht, das einen Schwerpunkt auch auf die Ausnutzung erneuerbarer Energiequellen setzt. Das Programm betont insbesondere die Rolle der Biomasse, unterstreicht jedoch auch die Notwendigkeit anderer Energieformen. Die Umsetzung des weiterhin gültigen Programms untersteht dem Wirtschafts- und Planungsministerium (Ministerio de Economía y Planificación), wobei auch andere staatliche und nicht-staatliche Institutionen einbezogen sind.

Im November 1994 wurde die kubanische Gesellschaft zur Entwicklung erneuerbarer Energiequellen und zum Umweltschutz gegründet (Sociedad Cubana para la Promoción de las Fuentes Renovables de Energía y el Respeto Ambiental – CUBASOLAR), die mittlerweile wesentliche Funktionen bei der Vermittlung von Kenntnissen und Informationen zu erneuerbaren Energien und in der Kooperation und Projektentwicklung mit ausländischen Partnern einnimmt.

Als weitere Maßnahme wurde durch das Ministerium für berufliche Bildung (Ministério de Educación Superior) und mit Hilfe von CUBASOLAR die Technische Universität für Erneuerbare Energien (Universidad Técnica de Energías Renovables (UTER) zur Ausbildung von Fachleuten gegründet.

  • Wasserkraft
Klein- und Kleinstwasserkraftanlagen versorgen vor allem Dörfer in den Bergregionen mit Strom. Das Potenzial wird auf 25 MW geschätzt, verteilt auf 400 Standorte. Mehr als 200 dieser Standorte werden bereits zur Versorgung von etwa 30.000 Einwohnern sowie gemeinschaftlichen Einrichtungen genutzt 172. Allerdings ist aufgrund der limitierten Kapazitäten und des fluktuierenden Wasserdargebots die Stromabnahme pro Haushalt häufig stark begrenzt. Die restlichen 200 Standorte sollen vornehmlich unter Verwendung im Land produzierter Anlagen erschlossen werden.

  • Biomasse
Neben Wasserkraft ist die Nutzung von Biomasse für Energiezwecke traditionell in Kuba verankert und trägt einen erheblichen Anteil zur Energiebilanz bei. Hierfür stehen in erster Linie die mehr als 100 Zuckerfabriken, die ihren Energiebedarf an Wärme und Elektrizität seit langem durch Verbrennen von Bagasse abdecken. ... Studien sehen vor, die Erzeugungskapazität für Biomasse aus dem Zuckerrohranbau bis 2010 um 500 MW zu steigern. Bis zum Jahr 2022 wird sogar die Möglichkeit einer vollständigen Stromversorgung alleine auf der Basis dieser Biomasseform ins Feld geführt.

  • Photovoltaik
Kuba hat in den letzten Jahren ein ländliches Elektrifizierungsprogramm auf der Basis von Photovoltaik gestartet, zu dem Nichtregierungsorganisationen und internationale Geber beitragen. Angestrebt wird insbesondere die Versorgung der 700 Gesundheitsstationen in netzfernen Regionen im Rahmen eines Sonderprogramms (Programa de Electrificación Fotovoltaica a las Casas Consultorios del Medico de la Familia) und eine Grundausstattung für private Häuser (Solar Home Systems für Beleuchtung und Kommunikation).
Bis 2000 wurden etwa 240 Gesundheitsposten mit PV-Systemen ausgestattet, ferner abgelegene Krankenhäuser, Schulen und Dörfer. Bis 2001/2002 sollten alle netzfernen 1800 Grundschulen eine solare Stromversorgung erhalten. Zur Kostenverringerung ist Kuba bemüht, eine eigene Fertigung von Solarzellen und –modulen zu starten (durch die Firma Industria Electrónica de Pinar del Río).

  • Windkraft
Kuba hat eine lange Tradition beim Betrieb von windgetriebenen Wasserpumpen aus eigener Fertigung. Von etwa 9.000 installierten Anlagen befinden sich schätzungsweise 6.500 noch in Betrieb. ... 1999 wurden als Entwicklungshilfeprojekte zwei Windkraftanlagen von je 225 kW auf der Insel Turiguanó in der Provinz Ciego de Ávila errichtet, die jährlich rd. 1.000 MWh Strom erzeugen sollen. Im selben Jahr wurde in Cabo Cruz in der Provinz Granma eine Anlage von 10 kW aufgestellt. Alle diese Anlagen speisen den erzeugten Strom in das öffentliche Versorgungsnetz ein. In 2000 wurde in Cayo Romano eine autonome Wind-Diesel-Hybridanlage mit 10 kW in Betrieb genommen.

Im April 2001 kündigte CIES die Errichtung von zwei Windkraftanlagen in abgelegenen ländlichen Kommunen im Osten des Landes (Provinz Guantánamo) an. In einem Fall sollte ein Wind-Diesel-Hybridsystem zum Einsatz kommen, im anderen Fall eine 50 kW-Anlage in das vorhandene lokale Netz einspeisen und zur Versorgung sozialer und gemeinschaftlicher Einrichtungen beitragen. Beide Vorhaben werden von der spanischen Stiftung LEIA unterstützt."
Naturschutz
Seit der Teilnahme Kubas an der Konferenz von Río 1992 und mitbestimmt durch die weltpolitischen Veränderungen ist in der aktuellen kubanischen Umweltpolitik eine Umorientierung unter Berücksichtigung des Nachhaltigkeitsprinzips in allen Dimensionen zu beobachten. Im Rahmen des Reformkurses der kubanischen Regierung wurde im Jahre 1999 ein landesweites System von Schutzgebieten (Sistema Nacional de Áreas Protegidas – SNAP) eingerichtet, dessen Kern die 14 Nationalparks des Landes bilden.
Ökolandbau
Der Zuckerrohranbau auf Kuba verzichtet weitgehend auf Pflanzenschutzmittel. Devisenmangel hielt die Bauern bisher vom Kauf teurer Chemikalien ab. Eine Nische, wie gemacht für den Biolandbau. Eine Entwicklungspartnerschaft mit der Wirtschaft hilft bei der Umstellung. Einheimische Ökoberater haben bereits den Anbau und den professionellen Vertrieb weiterer hochwertiger Naturprodukte im Blick.
Interne Links
Externe Links
Umweltportal (spanisch)
UN Department of Economic and Social Affairs: Division for Sustainable Development: National Information - Cuba (englisch)
Bertelsmann-Stiftung: Den Wandel gestalten. Strategien der Entwicklung und Transformation. Kuba, 2003
Homepage der Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit (DEZA), Schweiz
Webseite auf Kuba: Agencia Suiza para el Desarrollo y la Cooperación (COSUDE) (spanisch)
Welternährungsorganisation FAO (Food and Agriculture Organization): Kuba - Nachhaltige Entwicklung (englisch), mit zahlreichen Links zu Small Island Developing States

Schlagworte

Armut, Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit (GTZ), Gleichberechtigung

Letzte Aktualisierung

11.05.2015 12:15

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